Lügenmesse! Lügenmesse!
Die Aufregung über VW aufgrund der Täuschung bei den Abgaswerten ist groß
Es war die Schlagzeile der letzten Woche. Volkswagen hat im großen Stil Abgaswerte gefaket und alle haben sie wohl kräftig mitgemischt. Viele regten sich auf, fühlten sich betrogen und beschissen. Mich ließ es eher kalt. Mensch, man weiß doch, wie das läuft. Nicht erst seitdem der Dachverband der Automobile Verkaufscharts gepusht hat. Nein, hier hat ein Unternehmen nur die Prinzipien eines Wettbewerbs eingehalten, den sie uns bei der neoliberalen Erziehung zum »homo oeconomicus« immer einimpften. Man pflegte uns nämlich zu sagen, dass man seine Ellenbogen auf jede erdenkliche Weise einsetzen sollte. Und sei es mit beschönigenden Eigenschaften und »kleinen Notlügen«. Zur Erlangung der Ziele sei das in Ordnung. Das lernen in diesem Land schon Arbeitslose bei diverse Schulungsmaßnahmen.
So war es jedenfalls bei mir, als ich langzeitarbeitslos war. Da haben sie mich auch in ein Bewerbungstraining geschickt. Irgendwas mussten sie ja mit mir anstellen. Und dort bekam man recht flott beigebracht, dass man sich »besser verkaufen« sollte. Und wenn es da nichts gibt, was man verkaufen kann, so kann man immer noch etwas ein wenig modifizieren oder aufpolieren. Vulgäre Menschen sagen zu einer Praxis »lügen«. Ganz schön hart. Aber vermutlich trifft das den Kern. »Dann sagen Sie dem Personalchef doch einfach, Sie hätten das schon mal gemacht«, empfahl die Bewerbungstrainerin einen meiner Mitgefangenen. »Habe ich aber nicht«, antwortete er. »Wollen Sie einen Job oder nicht? Sie müssen schon an Ihrer Selbstdarstellung arbeiten«, konterte sie. Selbstdarstellung! Das war dann auch das Wort, das mir einfiel, als ich hörte, dass Volkswagen betrogen hat.
Die Erfahrungen mit der Maßnahme sind lange her. Damals erkannte ich endgültig, dass wir es mit einer Blender-Ökonomie zu tun haben, mit einem Wirtschaftssystem, das auf Fake und Bauernfängerei baut, in der Versprechen geschoben und nicht gemacht werden. Die Irreführung hat in dem Maße zugenommen, da man den totalen Wettbewerb in jeder nur denkbaren Nische des menschlichen Miteinanders installierte. Wenn man Wettbewerber ist, muss man Alleinstellungsmerkmale haben, aus der Masse aller anderen herausragen. Weil aber nicht jeder »etwas Besonderes« sein kann, manche nur durchschnittliche Eigenschaften besitzen, muss man sich was einfallen lassen. Jobsuchende hübschen an dieser Stelle ihren Lebenslauf auf, verleihen sich Qualifikationen, die sie bloß rudimentär oder aber gar nicht haben oder behaupten keck, dass sie Ähnliches schon mal gemacht hätten. Konzerne haben ein ähnliches Verfahren. Sie nennen es nur Marketing. Werbung. Die Illusion von Sachverhalten, die nicht unbedingt zutreffen müssen.
Im Wort »Marketing« steckt ja schon alles, was man sich dazu denken kann. Man orientiert die Inhalte mit denen man werben möchte am Markt. Nicht an Tatsachen oder Wahrheiten. Der Markt will eben umweltfreundliche Autos – also muss man so tun, als habe man welche, auch wenn man es gar nicht so hinbekommt, wie es gerne gesehen würde. Volkswagen schönte dafür eben die Abgaswerte - mit freundlicher Unterstützung von Behörden. Andere Automobilhersteller schreiben unter ihre Zeitungsanzeigen, dass ihre Modelle kaum Benzin verbrauchen und liefern Zahlen gleich nach. Die sind aber aus optimalen Zuständen in Windkanälen entstanden. Ohne Reibungsverluste durch Asphalt. Das ist jedoch völlig legal. Der Fake an sich ist systemisch.
Übrigens, weil ich doch von Automobilherstellern sprach: Die trafen sich letzte Woche auf ihrer Messe in Frankfurt. Dort warben sie auch für TTIP. Selbiges würde »Wachstum generieren und Arbeitsplätze schaffen«, fachsimpelten sie. Auch so ein Fake. Lügenmesse! Lügenmesse! Unter Betrügern eben. Mit freundlichen Grüßen aus der Blender-Ökonomie.
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