Kundus: LINKE fordert sofortigen Bundeswehr-Abzug
Zahl der Toten nach Angriff auf eine Klinik steigt auf 22 / Ärzte ohne Grenzen spricht von Kriegsverbrechen
Update 16.55 Uhr: US-General: Afghanische Armee forderte Luftangriff in Kundus an
Der tödliche Luftangriff auf eine Klinik der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) im afghanischen Kundus ist nach US-Angaben auf Anforderung der afghanischen Streitkräfte erfolgt, die unter Beschuss von Taliban-Kämpfern standen. «Wir haben jetzt erfahren, dass die afghanischen Streitkräfte am 3. Oktober Feuer von Feindespositionen gemeldet haben und um Unterstützung der US-Luftwaffe baten», sagte US-General John Campbell am Montag vor Journalisten in Washington. Daraufhin sei ein Luftangriff geflogen worden, um die Bedrohung durch die Taliban «auszuschalten».
Dabei seien «mehrere Zivilisten aus Versehen getroffen» worden, sagte der US-Kommandeur für Afghanistan weiter. Die US-Streitkräfte hatten bislang erklärt, dass ihre eigenen Truppen unter Beschuss gestanden und um Luftunterstützung gebeten hätten.
Update 13.35 Uhr: «Kundus ist kein Einzelfall»
Die verteidigungspolitische Sprecherin der Fraktion Die LINKE, Christine Buchholz, wies am Montag darauf hin, dass der Krieg in Afghanistan wiederholt Zivilisten trifft. «Der Angriff auf das zivile Krankenhaus in Kundus ist kein tragischer Einzelfall», erklärte Buchholz nach dem tödlichen Angriff der US-Luftwaffe auf ein ziviles Krankenhaus in Kundus. Wer Ziele mitten in einem Stadtzentrum mit Bomben angreift, treffe unweigerlich Zivilisten. Das Pentagon nehme diese Opfer in Kauf und auch die Bundesregierung schweige darüber. Der Bundeswehreinsatz in Afghanistan müsse unverzüglich beendet werden.
Kundus: LINKE fordert sofortigen Bundeswehr-Abzug
Kabul. Nach dem Bombenangriff auf eine Klinik der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen im nordafghanischen Kundus hat die Linke den sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan gefordert. «Frieden lässt sich nicht herbeibomben. Jede Forderung der Regierungsparteien oder des Militärs, den Bundeswehreinsatz in Afghanistan zu verlängern oder auszuweiten, ist unverantwortlich», sagte Linke-Chef Bernd Riexinger der Deutschen Presse-Agentur. «Bildung, Konfliktprävention und Diplomatie sind die Wurzeln, aus denen demokratische Strukturen wachsen - Bomben und Granaten sind hierfür im wahrsten Sinne des Wortes die falschen »Waffen«.
Am Donnerstag wollen die Nato-Verteidigungsminister in Brüssel über die Lage beraten. In der Bundesregierung gibt es Überlegungen, den eigentlich bis Ende 2016 geplanten Ausbildungseinsatz der Nato zu verlängern. Der Kampfeinsatz lief offiziell Ende 2014 aus.
Zahl der Todesopfer steigt
Die Zahl der Todesopfer hat sich inzwischen auf 22 erhöht. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) teilte am Sonntag mit, einige der 22 Todesopfer seien in ihren Betten verbrannt. Bei den Toten handelt es sich den Angaben zufolge um zwölf MSF-Mitarbeiter und zehn Patienten, darunter drei Kinder.
Der Generaldirektor der Hilfsorganisation, Christopher Stokes, sprach von einem Kriegsverbrechen. »Unter der klaren Annahme, dass ein Kriegsverbrechen begangen wurde, fordert MSF eine vollständige und transparente Untersuchung des Vorfalls durch eine unabhängige internationale Organisation«, betonte Stokes. Damit machte die Organisation deutlich, dass ihr die von den USA angekündigte Untersuchung des Vorfalls nicht genügt.
Nach Angaben der Hilfsorganisation waren die afghanische und US-Armee über die GPS-Koordinaten des Krankenhauses informiert, das seit vier Jahren in Betrieb war. Trotz eindringlicher Appelle an Militärvertreter in Kabul und Washington sei das Hauptgebäude mit der Intensivstation und Notfallräumen »wiederholt und sehr präzise« während mehr als einer Stunde beinahe alle 15 Minuten bombardiert worden.
Das afghanische Verteidigungsministerium erklärte, »eine Gruppe von Terroristen mit leichten und schweren Waffen« sei in der Klinik gewesen. Die Nato sprach von einem möglichen »Kollateralschaden« bei einem Angriff auf feindliche Kämpfer.
US-Verteidigungsminister Ashton Carter sprach von einem »tragischen Verlust von Menschenleben«. »Unschuldige« seien »in dieser Art von Gewalt gefangen« gewesen.
Die Hilfsorganisation kündigte an, sich vorerst aus Kundus zurückzuziehen. Ihr Krankenhaus war das einzige im Nordosten Afghanistans, das schwere Kriegsverletzungen behandeln konnte. nd/Agenturen
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