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Dritte Intifada steht vor der Tür

Netanjahu kündigt härteres Vorgehen gegen »palästinensischen Terrorismus« an

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 3 Min.
In Israel und den palästinensischen Gebieten eskaliert die Lage: Bei Anschlägen und Ausschreitungen kamen mehrere Menschen um; nach einem Raketenangriff bombardierte Israels Luftwaffe Gaza.

Israels Sicherheitskabinett tagte nur kurz. Denn was beschlossen wurde, war zu diesem Zeitpunkt längst beschlossene Sache in diesem kleinen Kreis von Ministern, die meist nicht wegen ihrer Erfahrung, sondern aus Gründen der Koalitionsbalance dazu gehören. Häuser von »Terroristen« sollen im Schnellverfahren zerstört, »Randalierer« in Verwaltungshaft genommen werden: Dabei werden Personen für Phasen von sechs Monaten, die beliebig oft wiederholt werden können, ohne Gerichtsurteil oder Ermittlungsverfahren eingesperrt. Dies soll auch ausdrücklich vermehrt auf jugendliche Steinewerfer angewandt werden.

Denn seit einigen Tagen eskaliert in den palästinensischen Gebieten die Lage. Im Westjordanland kam ein israelisches Ehepaar ums Leben, als auf sein Fahrzeug geschossen wurde. Am Samstagabend wurden zwei Israelis in der Altstadt von Ostjerusalem bei einem Messerangriff getötet; wenige Stunden später wurde ein 15-Jähriger mit einem Messer schwer verletzt. Israelische Sicherheitskräfte eröffneten am Wochenende mehrmals das Feuer auf Palästinenser. Mindestens zwei Menschen kamen ums Leben, 77 weitere wurden nach Angaben des Roten Halbmondes verletzt.

Ist das die dritte Intifada? Nein, heißt es im Büro des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas, wo man der israelischen Regierung vorwirft, die Lage bewusst zu eskalieren - was man im Hause von Regierungschef Benjamin Netanjahu empört zurück weist. Abbas selbst habe die Gewalt angestachelt, als er Mitte vergangener Woche vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen erklärte, er fühle sich an die Osloer Vereinbarungen nicht mehr gebunden, die Anfang der 90er die Grundlage für die Palästinensischen Autonomiegebiete gebildet hatten. Netanjahu hatte darauf in seiner eigenen Rede, die sich überwiegend um das Atomabkommen mit Iran gedreht hatte, erwidert, er sei dazu bereit, »ohne Vorbedingungen« an den Verhandlungstisch zurück zu kehren: »Leider hat Präsident Abbas erklärt, dass er nicht dazu bereit ist. Ich hoffe, er ändert seine Meinung.«

Doch vor allem junge Palästinenser sind wieder vermehrt der Ansicht, dass die Zeit für eine weitere Intifada gekommen ist. Israel wolle nur verhandeln, um die Palästinenser ruhig zu stellen; Ergebnisse seien nicht beabsichtigt, heißt es hundertfach in Online-Foren und auf den Straßen. Auch Abbas, seine Partei Fatah und die Palästinensische Befreiungsorganisation bekommen den Unmut zu spüren. »Selbst wenn sie zur Friedfertigkeit aufrufen würden, wäre es unwahrscheinlich, dass auf sie gehört wird«, sagt ein palästinensischer Journalist, der anonym bleibe möchte. Die Autonomiebehörde geht gegen Journalisten vor, die nicht die vorgegebene Linie befolgen - und die lautet: »Es gibt keine Alternative zu Abbas.« Eine ganze Reihe von radikalen Gruppierungen hat sich schon in Stellung gebracht. Von der Hamas über den Islamischen Dschihad bis hin zu Gruppen, die dem Islamischen Staat nahe stehen, versuchen alle, Kapital aus dem Unmut zu schlagen.

So kündigte der Islamische Dschihad an, Anschläge in Israel verüben zu wollen, und eine Abspaltung der Hamas-nahen Essedin-al-Kassam-Brigaden, die Ende Mai unter dem Namen Omar-Brigade dem Islamischen Staat die Loyalität erklärt hatte, feuerte am Wochenende eine Rakete auf Israel ab. Dessen Luftwaffe bombardierte daraufhin Stellungen der Hamas, was wiederum dazu führte, dass die Hamas Vergeltung ankündigte. Denn auch sie steht unter dem Druck der neuen Radikalen: Die Hamas-Regierung im Gazastreifen verliert an Unterstützung, weil es seit dem Gazakrieg 2014 nicht voran geht; die mit ihr rivalisierenden Gruppierungen agieren dort mittlerweile weitgehend frei und verschaffen sich auch immer wieder Zugang zu den Waffenlagern der Hamas: So gut wie alle Raketenangriffe gehen auf das Konto solcher Gruppen.

Am Montag blieb es in Jerusalems Altstadt indes ruhig. Um die Ausschreitungen einzudämmen, hatte Israels Regierung das Areal kurzerhand für alle gesperrt, die dort nicht wohnen oder arbeiten.

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