Der Wille zu helfen ist begrenzt

60 000 Euro mehr für Willkommensinitiativen, aber Flüchtlingszahl soll verringert werden

  • Andreas Fritsche
 und Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.
Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat Kanzlerin Angela Merkel aufgefordert, Wege aufzuzeigen, »um die hohen Flüchtlingszahlen zu verringern«. Die Linksjugend ist empört.

Am Dienstagnachmittag ist der nächste Sonderzug mit Flüchtlingen aus Salzburg am Bahnhof Schönefeld eingetroffen. 356 Menschen waren an Bord. Die Hälfte der Passagiere reiste weiter nach Berlin, die übrigen Flüchtlinge bleiben in Brandenburg.

»Der Wille zu helfen ist ungebrochen«, lobte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Er meinte damit die Willkommensinitiativen im Bundesland, die »hervorragende Arbeit« leisten. Die im Sommer vom rot-roten Kabinett bereitgestellten Hilfsgelder in Höhe von 80 000 Euro seien fast vollständig abgerufen. 84 Anträge auf insgesamt 79 846 Euro sind bislang eingegangen. Deshalb stellt die Regierung weitere 60 000 Euro zur Verfügung. Maximal 1000 Euro Fördergeld pro Jahr und Initiative können bewilligt werden.

»Es hat sich gezeigt, dass tatsächlich schon mit kleinen Beiträgen viel geleistet werden kann«, erklärte Sozialministerin Diana Golze (LINKE). Mit den zusätzlichen 60 000 Euro sei sichergestellt, dass Aktivitäten wie Deutschkurse, Sport und Fahrradwerkstätten auch angesichts steigender Flüchtlingszahlen bis zum Jahresende weiter unterstützt werden können.

Für Aufregung sorgte indes eine Forderung von Ministerpräsident Woidke an Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Die in Düsseldorf erscheinende »Rheinische Post« zitierte Woidke in ihrer Dienstagausgabe mit den Worten: »Die Kanzlerin muss Wege aufzeigen, um die hohen Flüchtlingszahlen zu verringern.« Zwar kenne das Asylrecht keine Obergrenzen. »Bei der Belastbarkeit der Länder und Kommunen gibt es aber faktische Grenzen, und denen nähern wir uns rasant.«

Die junge Landtagsabgeordnete Isabelle Vandré (LINKE) reagierte: Statt sich »mit billigem Populismus einen gesellschaftlichen Scheinfrieden kaufen zu wollen«, sollte Woidke »alles für eine integrativere Gesellschaft tun«. Der Ministerpräsident stelle sich hier ganz klar gegen eine politische Grundposition der rot-roten Koalition in Brandenburg, aber auch er habe sich an den Koalitionsvertrag zu halten.

Der junge Martin Günther vom Landesvorstand der Linkspartei kritisierte, die Forderung Woidkes widerspreche nicht nur dem im Grundgesetz garantierten Recht auf Asyl und der Genfer Flüchtlingskonvention. »Sie widerspricht auch dem humanistischen Erbe der Arbeiterbewegung, der sich SPD und LINKE gemeinsam verbunden fühlen«. Woidke begebe sich auf einen politischen Alleingang und mache sich bewusst oder unbewusst gemein mit Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), der AfD-Vorsitzenden Frauke Petry und allen anderen, »die das Asylrecht faktisch abschaffen wollen«, schimpfte Günther. Als rot-rot regiertes Land habe Brandenburg aber die Verantwortung, in der Flüchtlingspolitik mit gutem Beispiel voran zu gehen.

Leider sei Woidke »nicht der Erste aus der rot-roten Landesregierung, der mit unhaltbaren Äußerungen auffällt«, bedauerte Konstantin Gräfe, Sprecher der Linksjugend solid. Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) habe sich mit ähnlichen verbalen Entgleisungen bereits isoliert.

Linksfraktionschef Ralf Christoffers erklärte, er verstehe Woidkes Forderung an die Bundeskanzlerin als Appell, dass es eine einvernehmliche europäische Lösung geben müsse. Christoffers sprach von einer Sonderrolle Deutschlands, Österreichs und Schwedens. »Ja, es muss eine europäische Lösung geben«, betonte Christoffers. Da seien noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Man komme punktuell an die Grenzen der Handlungsfähigkeit, »da bin ich Realist genug«, gestand Christoffers. Er erwähnte ein um sich greifendes Unbehagen und die verbreiteten Fragestellung: »Schaffen wir das?« Dieses Unbehagen werde genutzt, um »Stimmung zu machen.« Wiederum: »Die bloße Aussage, wir können es schaffen, reicht nicht.«

SPD-Fraktionschef Klaus Ness verteidigte das Ansinnen, die Flüchtlingszahlen zu begrenzen. Dies sei nicht ungewöhnlich, sagte Ness. Kein verantwortlicher Politiker würde dies nicht bevorzugen, behauptete er. Über die LINKE sagte Ness, diese operiere sowohl im Bund als auch in den Ländern, »an ihren Wählern vorbei«. Den Wählern der Linkspartei leuchte es nämlich ein, dass sinnvolle Veränderungen in der Flüchtlingspolitik, etwa bei den Normen der Unterbringung, unumgänglich seien.

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