Rousseff unter Verdacht
Korruptionsermittlungen gegen Brasiliens Präsidentin
Brasília. Brasiliens Oberster Wahlgerichtshof entschied am Dienstag (Ortszeit) mit fünf gegen zwei Stimmen, Vorwürfen der oppositionellen Sozialdemokratischen Partei (PSDB) gegen die Staatspräsidentin nachzugehen. Demnach soll Rousseff ihren Wahlkampf 2014 illegal mit Spenden von Zulieferern des Energiekonzerns Petrobras finanziert haben.
Die Petrobras-Affäre erschüttert seit vergangenem Jahr die brasilianische Politik. Bislang sah die Justiz aber keinen ausreichenden Verdacht, möglichen Verwicklungen der Staatspräsidentin in den Skandal nachzugehen. Jetzt aber überstimmte das Wahlgericht eine frühere Entscheidung vom Februar und machte damit den Weg zu Ermittlungen frei. Es sei das erste Mal, dass gegen ein amtierendes Staatsoberhaupt wegen derartiger Vorwürfe vorgegangen werde, hieß es seitens der Behörde.
Bei der Präsidentschaftsstichwahl im Oktober 2014 war Rousseff im Amt bestätigt worden - mit einem Vorsprung von knapp drei Prozentpunkten vor ihrem konservativen PSDB-Herausforderer Aécio Neves. Zwar sind außer Rousseffs gemäßigt linker Arbeiterpartei (PT) weitere Parteien von der Korruptionsaffäre betroffen, doch da die jetzige Präsidentin zwischen 2003 und 2010 dem Petrobras-Aufsichtsrat vorstand, trifft sie die Affäre besonders hart. Die Arbeiterpartei soll umgerechnet bis zu 177 Millionen Euro an Schmiergeldern von dem Staatskonzern erhalten haben. Insgesamt geht es in der Affäre um rund 3,5 Milliarden Euro. In dem Korruptionsskandal werden Unternehmer und Dutzende Parlamentarier verdächtigt. Im September befand ein Gericht in Brasília den ehemaligen PT-Schatzmeister João Vaccari der Korruption, Geldwäsche und Verschwörung schuldig und verurteilte ihn zu über 15 Jahren Haft.
Rousseff soll außer der illegalen Wahlkampffinanzierung auch Gelder staatlicher Finanzgruppen genutzt haben, um Sozialprogramme für Arme zu fördern. In Brasilien ist das ebenfalls illegal.
Die Präsidentin steht seit Längerem erheblich unter Druck. Ihre Zustimmungswerte sind auf weniger als zehn Prozent gesunken, und ihr droht nun ein Amtsenthebungsverfahren. Erst Ende voriger Woche hatte sie ihr Kabinett gründlich umgebildet und 8 von 31 Ministerien gestrichen. Damit versuchte sie, politisch wieder in die Offensive zu kommen - nach Meinung vieler Beobachter vergeblich.
Rousseff kämpfte in der Jugend in Guerillagruppen gegen die Militärdiktatur, die zwischen 1964 und 1985 herrschte. Der 2002 zum Staatschef gewählte Luiz Inácio Lula da Silva holte die Wirtschaftswissenschaftlerin 2003 als Energieministerin ins Kabinett, 2010 wurde sie erstmals zur Präsidentin gewählt. Ihre reguläre Amtszeit endet am 31. Dezember 2018. AFP/nd Kommentar Seite 4
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