Eine unbelastete Politikergeneration

Der Cottbuser Oberbürgermeister-Kandidat Holger Kelch (CDU) über den Bund mit der Linkspartei

  • Lesedauer: 4 Min.
ND: Eine von der SPD finanzierte Umfrage sah Ihren sozialdemokratischen Gegenkandidaten bei der Cottbuser Oberbürgermeisterwahl am 22. Oktober - den Infrastrukturminister Frank Szymanski - klar vorn. Wie bewerten Sie Ihre Chancen?
Kelch: Ich glaube, mein Bekanntheitsgrad nahm in den vergangenen drei Wochen zu. Ich bin optimistisch, dass am 22. Oktober die Würfel für mich fallen.

Erwarten Sie einen klaren Sieg?
Es wird wohl ein Kopf-an-Kopf-Rennen geben. Der Wahlabend verspricht, sehr spannend zu werden.

Gesetzt den Fall, Sie werden tatsächlich Oberbürgermeister: Wie sieht Cottbus nach Ablauf Ihrer ersten Amtsperiode in acht Jahren aus?
Die Stadt wird in acht Jahren von Vertrauen geprägt sein. Die Zusammenarbeit der Verwaltung, der Universität und der Wirtschaft funktioniert dann besser. Es werden zarte Pflanzen für einen wirtschaftlichen Aufschwung sprießen. Einen Boom darf man allerdings noch nicht erwarten. Dafür sind die Probleme derzeit zu groß. Cottbus wird auch in acht Jahren noch eine sehr lebenswerte Stadt sein. Der von mehreren Studien schon für das Jahr 2008 prognostizierte Fachkräftemangel eröffnet in der Zukunft Chancen für jene, die nicht abwandern, sondern hier bleiben.

Wie in vielen Orten Brandenburgs sind die kommunalen Schulden und die Arbeitslosigkeit auch in Cottbus die größten Schwierigkeiten. Was wollen Sie hier tun?
Das jährliche Haushaltsdefizit von 23 Millionen Euro ist in der Tat ein großes Problem. Mein Ziel ist es, die Neuverschuldung in den nächsten acht Jahren zurückzudrängen und gegen Ende dieser Frist einen ausgeglichenen Haushalt zu haben. Vielleicht gelingt es auch, dann schon damit zu beginnen, den angehäuften Schuldenberg langsam abzutragen. Das geht nicht ohne Einschnitte. Eventuell müssen wir in der Stadtverwaltung noch mehr Personal abbauen.
Aber ich möchte die freiwilligen Ausgaben erhalten und das Ehrenamt stärken. Und ich will auch die Einnahmeseite beachten. Es muss gelingen, durch Wirtschaftsförderung Impulse zu setzen, so dass Cottbus schließlich mehr Gewerbesteuer bekommt als bisher. Dabei entstehen auch zusätzliche Arbeitsplätze.

Das Bündnis Cottbus, dessen Kandidat Sie sind, ist sehr bunt gewürfelt. Was trägt dieses ungewöhnliche Bündnis, in dem CDU, Linkspartei, FDP, Aktive Unabhängige Bürger und Frauenliste gemeinsame Sache machen?
Besonders die drei Parteien haben natürlich ideologische Differenzen. Aber wir wollen das im Interesse einer Sachpolitik zum Wohl von Cottbus zurückstellen. Zuletzt kam die Politik in der Stadt wegen Parteiengezänks nicht voran. Damit soll nun Schluss sein. Es ist in unserer Kommune eine junge Politikergeneration herangereift, die für die nächsten 20 Jahre Verantwortung übernehmen will. Diese Generation ist nicht von Dingen in der Vergangenheit belastet.

Sie meinen von der DDR-Geschichte und dem Streit um die Sicht darauf?
Ja.

Obwohl Sie 1967 geboren und also selbst noch ziemlich jung sind, enthält ihre Biografie einen delikaten Abschnitt. Sie sind in der DDR nicht zum Abitur zugelassen worden, weil Sie bei einer Wehrübung in der 9. Klasse nicht schießen wollten. Belastet dies ihr Verhältnis zum Bündnispartner Linkspartei, der ja in CDU-Kreisen als SED-Nachfolgepartei gilt und für solche Vorfälle verantwortlich gemacht wird?
Für mich persönlich ist dieses Thema erledigt. Ich habe trotzdem meinen Weg gefunden. Es wurmt mich zwar manchmal noch ein bisschen, dass ich nicht zur Hochschule gehen konnte, aber ich schaue nach vorn. In der Cottbuser Linkspartei finde ich niemanden, der das damalige Ereignis gutheißen würde.

Können Sie sich Bündnisse von CDU und Linkspartei auch auf Landes- oder Bundesebene vorstellen?
Derzeit nicht. Dafür sind die ideologischen Unterschiede doch zu groß. Im Landtag und im Bundestag werden schließlich Gesetze gemacht. Da spielt die Grundausrichtung einer Partei eine viel größere Rolle als in der Kommunalpolitik, wo es um Sachentscheidungen geht. Allerdings heißt das nicht, dass eine Zusammenarbeit von CDU und Linkspartei im Bund in alle Ewigkeit ausgeschlossen ist. Die PDS veränderte sich in 16 Jahren erheblich. Wer weiß heute schon, wie sie in zehn Jahren aussieht.

Was kann das CDU-Mitglied Holger Kelch versprechen, was auch Anhängern der Linkspartei gefallen könnte?
Ich sage nur drei Worte: Ehrlichkeit, Offenheit, Verlässlichkeit.

Was unterscheidet Sie fundamental von Frank Szymanski?
Ich bin der sachlich orientierte Verwaltungsexperte, nicht der Berufspolitiker, der brillante Reden schwingt. Ich möchte über den Kern der Probleme reden und keine Worthülsen von mir geben.

Fragen: Andreas Fritsche
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