Propaganda gegen den Islamischen Staat
EU und Bundesregierung wollen mit »strategischer Kommunikation« den Terror bekämpfen
Im Oktober vorigen Jahres diskutierten führende EU-Vertreter die Frage, wie man die Propaganda der Islamisten im Internet eindämmen kann. Neben offener Zensur spielte dabei auch die Strategie der Gegenerzählungen, sogenannter Counter Narratives, eine Rolle. Diese Erzählungen sind nichts anderes als Propaganda in eigener Sache.
Offenbar ist das Projekt bereits weit fortgeschritten, wie die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des Abgeordneten Andrej Hunko (LINKE) zeigt, die »nd« vorliegt. Demnach wurde ein »Beratungsteam für strategische Kommunikation in Bezug auf Syrien« (SSCAT) gegründet, das von der belgischen Polizei, der EU-Kommission und dem EU-Koordinator für die Terrorismusbekämpfung geleitet wird. Rund 20 Regierungen unterstützen das Projekt, auch die Bundesrepublik. Mit dabei sind die Experten der britischen Research, Information and Communications Unit (RICU). Sie tragen, laut Bundesregierung, »zur inhaltlichen Ausgestaltung der Netzwerktreffen bei und stellen ihre Expertise und Beratungsleistung« zur Verfügung. Die staatliche RICU ist in Großbritannien umstritten. So fütterte sie seriöse Medien wie die BBC mit Falschmeldungen, um »die Marke Al Qaida zu beschädigen«, wie der »Guardian« 2008 aufdeckte. Unter anderem wurde ein Al-Qaida-Rekruteur fälschlicherweise als »ehemaliger Crack-Abhängiger« geoutet. Zudem versuchte man, Al Qaida als von anderen islamistischen Organisationen isolierte Gruppe darzustellen.
Da das SCAAT-Team ein Forum bietet, »in welchem die EU-Mitgliedstaaten ihre Bestpractice-Erfahrungen im Bereich der strategischen Kommunikation austauschen können«, wie es in der Antwort der Bundesregierung heißt, werden die britischen Strategien wohl EU-weit zur Anwendung kommen.
Doch es gibt auch hochoffizielle Gegenerzählungen. So startet die Bundeszentrale für politische Bildung demnächst eine Internetkampagne gegen den IS, die sich an der Aktion »Youtuber gegen Nazis« orientieren soll. Mit dabei sind bekannte Netzstars wie Florian Mundt alias LeFloid, der kürzlich die Kanzlerin interviewen durfte. Auch die »Beauty-Bloggerin« Hatice Schmidt und »MrWissen2go« alias Mirko Drotschman stehen als Mitwirkende fest, wie Bundesregierung bestätigt.
Andrej Hunko glaubt nicht, dass sich radikalisierte Jugendliche oder Erwachsene von Gegenerzählungen bekehren lassen. »Die Botschaften sind von oben verordnet und das merkt man ihnen auch an«, kritisiert Hunko gegenüber »nd«. Der Linkspolitiker erwartet, dass die Vorhaben »ähnlich versanden wie die Andi-Comics, mit denen sich der Verfassungsschutz bei Jugendlichen anbiedern wollte«.
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