Thüringen: Morddrohungen gegen LINKEN-Politikerin König

Immer mehr Gewalt gegen Flüchtlinge / Körperverletzungen, Mordversuche, Anschläge - Zahlen des Bundesinnenministers: mehr als 490 Straftaten gegen Asylunterkünfte in diesem Jahr / Justizminister Heiko Maas (SPD): »bittere Bilanz«

  • Lesedauer: 5 Min.

Update 16.30 Uhr: Nazis blockieren in Chemnitz Notunterkunft für Flüchtlinge
Eine Gruppe Rechtsradikaler hat am Nachmittag im sächsischen Chemnitz offenbar den Einzug von Flüchtlingen in eine Notunterkunft blockiert, berichtet der Journalist Johannes Grunert auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Die Flüchtlinge würden auf einem Parkplatz warten, während die Rassisten die Unterkunft im Stadtteil Markersdorf blockierten. Die etwa 70 Asylsuchenden sollen übergangsweise in der Turnhalle untergebracht werden, da bisher noch keine Wohnungen und Gemeinschaftsunterkünfte für die Flüchtlinge bereitstünden.

Update 15.30 Uhr: König warnt vor zunehmender Radikalisierung
Nach dem Anschlag auf ihr Wahlkreisbüro in Saalfeld warnt die LINKEN-Landtagsabgeordnete Katharina König vor einer zunehmenden Radikaliserung rechter Gruppen. »Durch die Demonstrationen von Neonazis und AfD, wie sie auch in Erfurt und in anderen Städten stattfinden, steigert sich der Hass, der bereits in sozialen Netzwerken ausgetobt wird«, so König.

Die Täter würden häufig glauben, den »Volkswillen« zu vollstrecken und fühlten sich in ihrem Handeln bestärkt, da sich so genannte ‚besorgte Bürger‘ selten von den Taten abgrenzten. Wenn Häuser brennen, Flüchtlinge Angst haben müssen und Hakenkreuze an Häuserwände geschmiert werden, »dann sollte klar sein, dass das Gebot der Stunde nicht Abschottung an nationalen und europäischen Grenzen sein kann, sondern Solidarität und Schutz mit den Geflüchteten und klare Positionierung gegen Rassisten aller Couleur.«

Update 12.40 Uhr: Nazi-Schmierereien und Drohungen gegen LINKEN-Politikerin
Unbekannte haben in der Nacht zu Freitag in Saalfeld und Rudolstadt Fassaden von Geschäften und Wohnhäusern mit rassistischen Parolen beschmiert. Auch mehrere Bushaltestellen seien mit Hakenkreuzen besprüht worden, berichtete eine Polizeisprecherin.

Betroffen von den Angriffen war den Angaben zufolge auch das Wahlkreisbüro der LINKEN-Landtagsabgeordneten Katharina König. Die Polizei hofft auf Hinweise von Bürgern, die in der Nacht verdächtige Personen oder Fahrzeuge beobachtet haben. Derzeit ermittle die Kriminalpolizei, doch werde geprüft, ob die Spezialisten für Rechtsextremismus beim Landeskriminalamt den Fall übernehmen, hieß es. Nach Angaben von König waren mit den Schmiereien auch Morddrohungen verbunden. »Frau K. ab in den Ofen« und »K. K. Judenhure« sollen die Täter an die Fassade des Wahlkreisbüros geschrieben haben.

König selbst schätzt, dass es bereits die siebte oder achte derartige Attacke auf ihr Büro binnen eines Jahres ist. Die Täter hätten bisher nie ausfindig gemacht werden können, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Sie äußerte aber Verständnis, dass die Polizei derzeit hart an der Belastungsgrenze arbeite. Zwar könnten bei solchen Ermittlungen Videoüberwachungen helfen, räumte sie ein. »Ich bin aber kein Fan von Videoüberwachung. Man darf hier nicht Freiheitsrechte zugunsten von Sicherheit aufgeben.«

Update 12.30 Uhr: Fremdenfeindliches Blog »Politically Incorrect« lahmgelegt
Zwangspause für rassistische Hetze: Der fremdenfeindliche Rechtspopulisten-Blog »Politically Incorrect« – auch unter der Kurform »PI-News« bekannt, ist seit Donnerstagabend nicht mehr abrufbar. Auslöser ist laut Betreibern wohl eine DDoS-Attacke, die auch am Freitag fortgesetzt wurden. Allerdings haben die Rechtspopulisten inzwischen reagiert und einen »Notfall-Blog« eingerichtet, wo die Autoren auch gleich verschwörerisch, von einem Krieg der Bundesregierung gegen das deutsche Volk als Ausgang der Attacke ausgehen.

Bei einer DDoS-Attacke wird an den Server einer Website so viele Anfrage geschickt, bis die Infrastruktur wegen Überlastung zusammenbricht. wer hinter der Aktion steckt, ist noch unklar.

Immer mehr Gewalt gegen Flüchtlinge

Berlin. Angesichts der wachsenden Zahl von Gewalttaten gegen Flüchtlinge in der Bundesrepublik hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière appelliert, darum zu »kämpfen, dass man bestimmte Dinge einfach nicht sagt und tut. Wir dürfen Gewalt und Hass nicht tolerieren.« Es würden immer öfter »Körperverletzungen, Mordversuche, Brandanschläge« verübt, so der CDU-Politiker. »Das ist eine Schande für Deutschland. Da darf es auch keine klammheimliche Zustimmung geben.« Den Tätern dieser inakzeptablen Straftaten müsse hart begegnet werden, sagte der zuständige Minister Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Laut de Maizière gab es in diesem Jahr »bereits mehr als 490 Straftaten gegen Asylbewerberunterkünfte«. Zwei Drittel der Tatverdächtigen seien »Bürger aus der Region, die sich bisher nichts zu Schulden kommen ließen«, berichtete de Maizière. »Ich finde diesen Zuwachs an Menschen, die Gewalt anwenden, besorgniserregend.« Die Gewalt gegen Asylbewerber wird dem Minister zufolge begleitet »von Hassmails, von Beleidigungen, von einer Gossensprache.« Er habe bis vor kurzem nicht glauben können, dass so etwas öffentlich gesagt werde. »Es sind Zivilisationsschranken gefallen.« Dafür gebe es keine Entschuldigung, sagte de Maizière.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sprach von einer »bitteren Bilanz«. Er erklärte am Freitag in Berlin: »Der Anstieg ist beschämend für unser Land. Jede fremdenfeindliche Attacke auf ein Flüchtlingsheim ist ein Angriff auf unsere Grundwerte.« Man werde jedoch »weder den geistigen noch den tatsächlichen Brandstiftern das Feld überlassen. Wer eine Straftat begeht, wer Flüchtlinge und Helfer attackiert, muss mit der ganzen Härte des Rechtsstaates rechnen.«

Die offiziellen Zahlen der Anschläge und Gewalttaten gegen Flüchtlinge werden von der Opposition bezweifelt. »Mehr als 400 Angriffe auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte hat es seit Jahresbeginn gegeben. Das BKA geht dabei von ca. 60 Gewalttaten wie Brand- oder Sprengstoffanschläge und Körperverletzungen aus. Aber das Dunkelfeld in diesem Bereich ist offensichtlich noch sehr viel größer«, heißt es bei der Linksfraktion. »Das Gesamtbild des rassistischen Klimas in Teilen der Gesellschaft« sei »noch sehr viel besorgniserregender«, als es die »ohnehin schon dramatischen Zahlen der Sicherheitsbehörden nahelegen«. nd/Agenturen

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