Nach dem Baukastenprinzip
Sachsen-Anhalts letzte Schuhfabrik produziert vor allem Feuerwehrstiefel
Die Maschine klebt die Unterseite des robusten Schuhs wie mit Geisterhand. Ein Arbeiter begutachtet mit erfahrenem Blick die Leistung des Automaten, dann schiebt er den Schuh noch mal in die Maschine. Nach erneuter Prüfung entscheidet er, dass der Schuh korrekt bearbeitet wurde.
Der hohe Aufwand muss sein, denn die Qualität des Feuerwehrstiefels kann im Ernstfall dem Träger die Gesundheit und das Leben retten. Immerhin wird das Produkt in 15 Länder verkauft. »Ich bin ein Global Pla-yer«, sagt Jörg Schlichting und setzt dann schnell hinzu, »aber in Miniaturformat«. Die Firma »EWS Die Schuhfabrik« in Eisleben hat europaweit rund 800 Kunden. Der Exportanteil liegt bei 15 Prozent. Neben Deutschland sind die Schweiz, die Niederlande und Österreich die wichtigsten Absatzländer. Der Mann, dem das Unternehmen gehört, ist sichtlich stolz. Immerhin sei er der letzte verbliebene Schuhproduzent in Sachsen-Anhalt.
Schlichting hat seine Nische mit der Produktion von Feuerwehr-, Rettungs- und Stiefeln für den Heiß- und Kühlbereich gefunden. »Wobei der Schwerpunkt auf Feuerwehrstiefel liegt«, sagt er. Sein Credo: »Qualität statt Quantität«.
»Das ist eine kleine, feine Firma, die in der Branche gut platziert ist«, sagt der Experte und Betreiber des Internetforums www.feuerwehr.de, Ingenieur Jürgen Mayer. »Die Marke ist gesund und die Eisleber bieten Qualität ›Made in Germany‹, was in der Branche nicht selbstverständlich ist.«
EWS gibt es seit 70 Jahren. Dass der Betrieb 2005 in die Insolvenz rutschte, lag nach Schlichtings Meinung daran, dass damals eher Masse mit weniger Qualität produziert wurde. »Aber das können andere besser«, sagt Schlichting. Er übernahm das Unternehmen, nachdem er mehrere Jahre im Auftrag des Insolvenzverwalters erfolgreich den Betrieb führte und das geschäftliche Risiko einschätzen konnte.
Die Belegschaft wurde von 45 auf 26 Mitarbeiter reduziert. »Ein schmerzhafter, aber notwendiger Schritt. Zugleich stiegen die Preise im Durchschnitt von 44 auf 80 Euro, was der verbesserten Qualität geschuldet war«, sagt Schlichting. Im Ergebnis stieg der Jahresumsatz um eine Million auf 3,5 Millionen Euro. Der Betrag wird auch für dieses Jahr erwartet und soll erst mal gehalten werden. »Realistisch ist in naher Zukunft eine Steigerung auf vier Millionen Euro Umsatz«, sagt Schlichting.
»Unser Schlüssel zum Erfolg ist die Möglichkeit, auf individuelle Kundenwünsche schnell reagieren zu können«, sagt er. Dafür werden die Schuhe nach dem Baukastenprinzip gefertigt. Zudem variieren die Schuhgrößen zwischen 34 bis 52, so dass auch der Nachwuchs bei den Jugendfeuerwehren beliefert werden kann. Insgesamt gibt es 60 Grundmodelle, davon 26 Feuerwehrstiefel, 15 Rettungsstiefel und 19 Modelle für den Heiß- und Kaltbereich. Auch orthopädische Einlagen können in den EWS-Modellen getragen werden. Die Tagesproduktion liegt derzeit bei 210 bis 250 Paar Schuhen.
Eine Besonderheit sind auch die Schuhe für den Gießerei- und Hochofenbereich. Sie können eine gewisse Zeit große Hitze aushalten und lassen sich bei Gefahr schnell ausziehen. Für die spezielle Mechanik, Schuhschlaufe samt Klettverschluss, hat die Firma einen Gebrauchsmusterschutz und das entsprechende Patentverfahren läuft. »Unsere Lösung ist der aktuelle Stand der Technik«, meint Schlichting dazu stolz. dpa/nd
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