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Eine große Gaunerei

Kriminelle Deals waren gang und gäbe bei der Privatisierung des Ostens

  • Jörg Roesler
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Privatisierung der volkseigenen Betriebe der DDR durch die Treuhandanstalt ist sicher das, was den meisten Ostdeutschen aus der Zeit der Transformation von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft am stärksten im Gedächtnis haften geblieben ist. Hamburgs Bürgermeister Henning Voscherau nannte jenen Vorgang das »größte Bereicherungsprogramm für Westdeutsche, das es je gab«. Es ging in der Regel um mehrstellige Millionenbeträge, die durch kriminelle Methoden den Besitzer wechselten. Die 1991 eingerichtete Zentrale Ermittlungsstelle für Regierungs- und Vereinigungskriminalität hatte bis 1994 mehr als 2000 Fälle zu bearbeiten. Danach wurde sie ersatzlos aufgelöst.


Sebastian Fink/Klaus Stuttmann/Olaf Jacobs: Wem gehört der Osten? Die großen Deals der deutschen Einheit.
Mitteldeutscher Verlag. 160 S., br., 14,95 €.


Olaf Jacobs hat 15 Privatisierungsfälle ausgewählt, Sebastian Fink erzählt, wie sie vonstatten gingen. Die Firmennamen werden dem ostdeutschen Leser der mittleren und älteren Generation noch bekannt sein. Berichtet wird hier beispielsweise über die Skandale um den Verkauf der HO-Kaufhallen an den Tengelmann-Konzern, den Erwerb der Ostseewerften durch die Bremer Vulkan und die Übernahme der Interhotelkette durch die Steinberger AG. Es wurde betrogen und gelogen. Die Akteure in diesem Buch sind beutegierige westdeutsche Unternehmer und inkompetente bzw. korrupte Treuhandmanager, aber auch Ostdeutsche, die sich zu Handlangern der betrügerischen Privatisierer machten.

Ans Licht kamen die krummen Deals oft erst Jahre später. Wenn überhaupt, verhängten die Gerichte zumeist geringe Strafen. Treuhandmitarbeiter waren durch einen Erlass der Privatisierungsbehörde in der Regel ganz vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt, blieben unbelangt trotz Erstattung einer Anzeige in 180 Fällen. Klaus Stuttmann hat bissige Karikaturen zu den hier erzählten und akribisch belegten Fällen beigesteuert.

Während der Lektüre entsteht der Eindruck einer großen Gaunerei. Um diesen etwas abzuschwächen, sind auch einige Privatisierungsfälle beschrieben, die mehr oder minder positiv ausgingen. Den Erhalt einer Anzahl architekturhistorisch wertvoller Gebäude in der Leipziger Innenstadt verdankt sich dem Immobilienhändler und -spekulanten Jürgen Schneider. Die Hackeschen Höfe in Berlin, in der DDR dem Verfall preisgegeben, konnten dank Privatisierung rekonstruiert werden. Die berühmte Spreewaldgurke überlebte, weil das Unternehmen an einen westdeutschen Eigentümer ging, der die Marke zu schätzen wusste und nicht nur sich guten Gewinn, sondern auch der Belegschaft den Arbeitsplatz sicherte.

Der sich beim Lesen dieses Buches aufdrängende Verdacht, es wäre nicht zur Deindustrialisierung der neuen Bundesländer gekommen, wenn es nur genug anständige, fähige und engagierte Manager gegeben hätte, ist ein Trugschluss. Wilhelm Hankel, Wirtschaftsprofessor und dereinst für den SPD-Wirtschaftsminister Karl Schiller tätig, sprach 1993 von einem Versagen der Bundesregierung, das zum »Wirtschaftsdesaster« im Osten führte. Und die Privatisierung durch die Treuhandanstalt war seiner Meinung nach eine »der sieben Todsünden der deutschen Wiedervereinigung«.

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