Mit Tapeten reden
Stephan Fischer zur Entscheidung von Fußballfanorganisationen, nicht mehr mit dem DFB zusammen zu arbeiten
Man kann sich vortrefflich mit sich selbst unterhalten. Daraus entspringen mitunter wunderschöne Dialoge – nur Ergebnisse wird diese Form des Gesprächs kaum bringen. Ähnliches lässt sich für Ansprachen an Möbelstücke oder der Tapete an der Wand feststellen. In der AG Fanbelange des Deutschen Fußball Bundes liefen die Gespräche wohl tatsächlich von Mensch zu Mensch – aber die Ergebnisse waren ähnlich gehaltvoll wie in den ersten Beispielen. Insofern ist die Entscheidung der Fanorganisationen, den Dialog mit dem DFB abzubrechen, verständlich: Einem Verband, der die Arbeit seines einzigen regelmäßig tagenden Gremiums zu Fanbelangen geradezu versteckt wie eine lästige Pflichtaufgabe, liegt nicht viel an einem Dialog auf Augenhöhe.
Die Fanorganisationen haben aber aus zwei weiteren, gewichtigeren Gründen, die Notbremse gezogen. Zum einen überlässt der DFB, anders als die DFL, das öffentliche Bild der Fußballfans fast unwidersprochen rhetorischen Scharfmachern wie Rainer Wendt oder hysterischen Medien, die bei jeder Fackel im Stadion sofort die »Stadion-Taliban« am Werk sehen. Für Organisationen wie ProFans oder UnsereKurve geht es auch um die eigene Glaubwürdigkeit bei den Fans, die sie vertreten: Was ist das für ein Dialogpartner, der gleichzeitig über seine Sportgerichtsbarkeit willkürlich Kollektivstrafen verhängt, Geldstrafen ausspricht, Fanblöcke oder gleich das ganze Stadion sperren lässt?
Sicher ist Gewalt im Zusammenhang mit Fußball zu sanktionieren – aber zielgerichtet und nicht mit Sippenhaft: Der DFB würde im Zuge des FIFA-Skandals die Unterstellung, dass »alle Fußballfunktionäre korrupt bis ins Mark« sind, empört zurückweisen. Mit jedem Recht. Genauso ist aber nicht jeder Stehplatzfan ein Verbrecher. Für die meisten Fußballfans ist jeder Dialog mit dem DFB, vom Ergebnis her betrachtet, sinnlos geworden – sei es nach der Aufkündigung des Dialogs über Pyrotechnik vonseiten des Verbandes oder der 12:12-Debatte. Der Rückzug der Fanorganisationen aus dem DFB-Gremium ist nur folgerichtig – viele der aktiven Fans kommunizieren mit dem DFB übrigens nur noch mit der Tapete.
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