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Fluchthilfekongress: Trotz Lisa Fittko als Leumund war Hans-Peter Uhl sauer

  • Rudolf Stumberger, München
  • Lesedauer: 3 Min.
Flucht braucht Helfer. Ein Kongress in München widmet sich dem Thema und wirbt mit provokanter Einladung zu einer Neubewertung der »Dienstleistung Schleppen und Schleusen«.

Die Kriminalpolizei hat schon nachgefragt und im Internet gab es »ekelige Kommentare«: Über zu wenig Aufmerksamkeit im Vorfeld konnten sich die Veranstalter der »2. Internationalen Schlepper & Schleuser-Tagung« nicht beschweren. Sie geht am Wochenende ab Freitag an den Münchner Kammerspielen über die Bühne und ist Teil eines vielfältigen »Open Border«-Kongresses. Dabei wendet sich das Theater »auf allen Ebenen des Betriebs« dem Thema Flucht zu.

Veranstaltet wird die Schleuser-Tagung vom Bayerischen Flüchtlingsrat und der hat die Ankündigung zur Veranstaltung mit satirischer Absicht in der Sprache der Wirtschaftskongresse abgefasst. Da ist die Rede von der »relevanten Fachtagung der weltweit agierenden Fluchthilfe-Unternehmen«, Tagungsziel sei die »Image-Aufwertung« und »Neubewertung der Dienstleistungen Schleppen und Schleusen«. Ernst genommen hatte das der CSU-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Uhl, der einen Beschwerdebrief an den Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) schrieb. Kritisch auch der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU): »Insgesamt erscheint das weniger als ein gelungenes Kulturprojekt, sondern mehr als fehlgeleitete Politpropaganda.«

Matthias Weinzierl vom Flüchtlingsrat war jedenfalls überrascht von der Heftigkeit der Reaktionen, auch im Internet. Bei dem Text habe es sich um eine »Zuspitzung« gehandelt, es gehe darum, »Tabus aufzubrechen«. Klar sei: »Flucht ohne Hilfe gibt es nicht.« Und so thematisiert die Tagung die Geschichte der Fluchthelfer, von der Nazizeit über Fluchthilfe in der DDR bis hin zu den Boat-People in Vietnam. Thema ist weiter die praktische Erfahrung von Fluchthelfern und Flüchtlingen, dabei geht es auch um die Kriminalisierung von Flucht. Ganz ernst gemeint ist die Verleihung der Goldenen Lisa: Der Preis wird in drei Kategorien an Flüchtlingsorganisationen vergeben. Benannt ist er nach Lisa Fittko, der österreichischen Widerstandskämpferin, die vor den Nazis geflohene Deutsche über die Grenze nach Spanien brachte, darunter Walter Benjamin.

Eingebettet ist die Schleuser-und- Schlepper-Tagung in den »Open Border-Kongress«, der vom Freitag bis Sonntag an den Münchner Kammerspielen stattfindet. Unter der künstlerischen Leitung von Björn Bicker und Malte Jelden fragt der Kongress mit Lesungen, Filmen und Theaterstücken nach Alternativen zur Flüchtlingspolitik in Europa. Eine Diskussion mit Vertretern von Flüchtlingsorganisationen, darunter »Jugendliche ohne Grenzen« und »Lagerland-Netzwerk«, ist geplant. Am Samstag sprechen Giusi Nicolini, die Bürgermeisterin von Lampedusa, und der französische Migrationsforscher François Gemenne. Er setzt sich für offene Grenzen in Europa ein. Geschlossene Grenzen machten Flucht nur prekärer, teurer und gefährlicher und verwandelten das Mittelmeer in ein Massengrab. Verhindern könnten sie die Flucht nicht.

Am Sonntag widmet sich der Kongress der Zukunft der Migration und der Rolle der Kulturinstitutionen in einer Einwanderungsgesellschaft. Flucht und Migration sind auch Thema mehrerer Workshops. Einer von ihnen beschäftigt sich unter dem Titel »Dublin III - Treten Sie ein!« mit fairen Asylverfahren. Tageskarten zum Kongress kosten 20 Euro.

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