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Jakow Drabkin

Nachruf

  • Gerd Kaiser
  • Lesedauer: 2 Min.

Nicht als Soldat und auch nicht als Wissenschaftler wurde Jakow Drabkin geboren. Doch musste er in einen mörderischen Krieg ziehen, meldete sich freiwillig zur Roten Armee, als Hitlers Wehrmacht seine Heimat überfiel. Nach der Befreiung vom Faschismus kehrte er zu der von ihm vor dem Krieg studierten Geschichtswissenschaft zurück und erwarb sich alsbald Meriten in der Erforschung und publizistischen Vermittlung deutscher Geschichte wie auch der Geschichte deutsch-russischer Beziehungen.

Von Kindesbeinen an war ihm nicht nur die deutsche Sprache vertraut, die er in der Schule erlernte. Aufgewachsen in einer von Revolutionen und Kriegen geprägten Zeit, in der Deutsche und Russen im Positiven wie im Negativen reichlich Kontakt hatten, interessierte ihn vor allem dieses stetige Mit- und Gegeneinander. Dabei konnte er auch auf Erfahrungen im besetzten Deutschland, in Dresden, Stendal, Magdeburg und schließlich in »Karlovka«, in Berlin-Karlshorst zurückgreifen. Als Kulturoffizier der SMAD hielt er in vormaligem Feindesland Vorträge und veröffentlichte Überlegungen zur Bodenreform und zur Kulturpolitik in einem neuen, demokratischen und sozialistischen Deutschland, führte nicht nur Gespräche mit führenden Kommunisten und Sozialdemokraten, sondern auch Christdemokraten wie Ernst Lemmer und Jakob Kaiser sowie Liberaldemokraten.

Seit Mitte der 1950er Jahre gehörte er zu den führenden Köpfen der Deutsch-Sowjetischen und bis zuletzt der Deutsch-Russischen Historikerkommission. Mit seiner vorbehaltlosen, grenzen- und parteiübergreifenden Suche nach Antworten auf die Fragen, warum, wie und durch wen bestimmte historische Ereignisse oder Prozesse genauso so und nicht anders verliefen, machte er sich einen Namen in der internationalen Zunft. Man anerkannte, dass er im wissenschaftlichen Streit die Möglichkeit des gemeinsamen Gestaltens einer friedlichen Gegenwart und Zukunft sah. Viele gemeinsame Forschungsprojekte und Publikationen verdanken sich seinem Engagement und seiner Ermunterung. Es schmerzte ihn, eine neue Eiszeit in den deutsch-russischen Beziehungen registrieren zu müssen, die nicht folgenlos für die wissenschaftliche Kooperation blieb. Jakow Drabkin verfasste drei Bände über die deutsche Novemberrevolution und schrieb einfühlsame Porträts über Rosa Luxemburg und Clara Zetkin, Franz Mehring und Karl Liebknecht. Unvergessen das »Wuppertaler Projekt«, das er über die Jahre des Kalten Krieges hinweg mit seinem Kriegskameraden Lew Kopelew trug, verdienstvoll die von ihm angestoßene und mit deutschen Kollegen realisierte Edition zur Geschichte des Dreiecksverhältnisses von KPD, KPdSU und Komintern, Krönung seines Lebenswerkes (s. »nd« v. 27.2.).

Jakow Drabkin starb 97-jährig am 10. Oktober in Moskau.

Gerd Kaiser

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