Fremdenhass von ungeniert bis gewalttätig
Bürgermeisterkandidatin in Köln angegriffen / Neue »Ideen« zum Kampf gegen Flüchtlinge
Berlin. Inzwischen ist die Kandidatin für das Kölner Oberbürgermeisteramt, Henriette Reker, außer Lebensgefahr. Am Sonnabend, dem Tag vor der Wahl, war die Parteilose, die von CDU, Grünen und FDP unterstützt wurde, an einem Wahlstand von einem Mann mit Messer angegriffen worden. Der Mann wurde am Tatort festgenommen, er gilt als schuldfähig und hat einen rechtsextremistischen Hintergrund. Die Polizei ermittelt. Reker hat sich als Sozialdezernentin für Flüchtlinge eingesetzt. Außer ihr wurden vier weitere Menschen verletzt.
Die Tat löste bundesweit Entsetzen aus, auch Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich bestürzt. Merkel, die am Wochenende zu Konsultationen in die Türkei reiste, wo sie die deutschen Vorstellungen zur Flüchtlingspolitik gegenüber Ankara voranbringen wollte, kann sich in ihrer Partei inzwischen neben der anhaltenden Kritik auch bekennender Unterstützung erfreuen. Ein Bekenntnis regionaler CDU-Politiker zu ihrer Flüchtlingspolitik unterzeichneten mittlerweile über 1000 Menschen. Mitinitiator Armin König, Bürgermeister des saarländischen Illingen, berichtete der Deutschen Presse-Agentur über prominente Unterstützer wie die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth oder die CDU-Bundesvorstandsmitglieder Regina Görner und Serap Güler. »Wir schaffen das« - dieser Satz mache Mut bei der Arbeit vor Ort, heißt es in dem Brief. Zuvor hatte ein Offener Brief von Kritikern Merkels in der eigenen Partei für öffentliches Aufsehen gesorgt. Die erhoffte Unterstützung der CDU-Jugendorganisation Junge Union blieb Merkel am Wochenende versagt. Trotz Zustimmung zum Kurs der Kanzlerin verlangt die JU eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen und gab Merkel, die zuvor noch gegen eine solche argumentiert hatte, damit einen Korb.
Auch die Debatte über eine Kontrolle der Flüchtlingszahlen setzte sich fort, obwohl erst am Freitag die letzte Gesetzesänderung dazu erfolgt war. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer beharrte in der »Passauer Neuen Presse« auf Transitzonen, die an den Grenzen errichtet werden sollten. Dort sollen »berechtigte« von »unberechtigten« Asylbegehren getrennt und letztere Antragsteller zurückgeschickt werden. Hans-Peter Uhl (CSU) kündigte einen entsprechenden Antrag der Innenpolitiker der Union an. Die Deutsche Polizeigewerkschaft forderte den Bau eines Zauns an der Grenze zu Österreich - »wenn wir ernst gemeinte Grenzkontrollen durchführen wollen«, wie Gewerkschaftschef Rainer Wendt sagte. Scheuer verlangte außerdem eine Begrenzung des Familiennachzugs und eine »strenge Obergrenze« für die Migration. Der Sprecher des CSU-Wirtschaftsflügels, Hans Michelbach, erklärte zudem am Sonntag in München, es sei »nicht nachvollziehbar«, Flüchtlingen genauso viel Hartz IV zu zahlen wie Einheimischen. nd
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