Nahrungsketten im Meer vor dem Kollaps
Australische Studie weist auf mögliche Folgen der Erwärmung der Ozeane hin - El Niño verschärft die Probleme
Erfüllt sich eine Voraussage australischer Wissenschaftler der Universität Adelaide, dann ist es schlecht bestellt um die Ökosysteme in unseren Meeren und damit auch um die Zukunft der Fischereiindustrie. Denn je saurer und wärmer die Ozeane durch mehr CO2 in der Atmosphäre werden, umso weniger unterschiedliche Tierarten wird es geben. Dies fanden die Wissenschaftler, deren Studie im Fachmagazin »Proceedings of the National Academy of Sciences« veröffentlicht wurde, heraus, indem sie die Daten von 632 veröffentlichten Experimenten von den Tropen bis in die Arktis in einer Meta-Analyse auswerteten.
»Es wird einen Tierarten-Kollaps von der Spitze der Nahrungskette nach unten geben«, sagte Ivan Nagelkerken, der am Umweltinstitut der Universität Adelaide lehrt. Dadurch, dass es künftig weniger Nahrung für fleischfressende Spezies geben werde, seien vor allem größere Fische vom Aussterben bedroht. »Diese Artenverarmung unserer Weltmeere wird tiefgreifende Folgen für unseren augenblicklichen Lebensstil haben, vor allem für die Bevölkerungen an den Küsten und diejenigen, die auf die Meere für Nahrung und Handel angewiesen sind«, so Nagelkerken.
Besonders schwerwiegend seien die Folgen für Austern, Muscheln und Korallen. Letztere leiden inzwischen bereits weltweit. Laut der US-amerikanischer Wetterbehörde NOOA herrscht derzeit die dritte große, globale Korallenbleiche - angefacht vom womöglich stärksten El Niño aller Zeiten, der derzeit im Ostpazifik die Temperaturen nach oben treibt. Die anderen extremen Korallenbleichen fanden 1998 und 2010 statt. Die NOOA schätzt, dass bis Ende des Jahres 38 Prozent der Korallenriffe weltweit von der Bleiche betroffen sein und rund fünf Prozent absterben werden. In Australien hat das Great Barrier Reef in den vergangenen 30 Jahren schon die Hälfte seiner Korallen verloren. Neben Hafenerweiterungen, dem Dornenkronenseestern, Stürmen und Abwässern aus der Landwirtschaft trägt das wärmere, saurere Wasser zur Zerstörung bei.
Profitieren werden dagegen Mikroorganismen wie Kleinstplankton, nicht aber tierisches Plankton. Weitere Tierarten, die den Klimawandel gut verkraften werden, sind Quallen, die sich schon heute teilweise extrem vermehren. »Wir sind in der verrückten, unerwarteten und unverständlichen Position, dass wir im Wettbewerb mit den Quallen stehen und sie dabei sind zu gewinnen«, sagte die Meeresbiologin Lisa-Ann Gersh-win einmal in einem Interview mit der Tageszeitung »Sydney Morning Herald«. »Wärmeres Wasser ist ein Desaster für alles, was atmet, und ein Traum für alles, das nicht groß atmet, wie die Quallen.«
Viele Menschen, so die Wissenschaftlerin, seien sich dessen nicht bewusst, wie viel Schaden diese Tiere anrichten können - außer dass sie Strände ruinieren und Schwimmern schmerzhafte, sogar tödliche Verletzungen zufügen können. Anfang 2013 drohte eine Quallen-Invasion die Fischbestände der südaustralischen Hafenstadt Whyalla auszulöschen. 2007 töteten Quallen in irischen Fischfarmen Zehntausende Lachse und 2009 brachten bis zu 200 Kilogramm schwere und zwei Meter große Nomura-Quallen ein japanisches Fischerboot zum Kentern.
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