Surfen gegen die Isolation

Unterstützer sammeln Spenden für Internetcafés von Flüchtlingen für Flüchtlinge

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 3 Min.
In Sammelunterkünften leben Geflüchtete meist abgetrennt vom Rest der Gesellschaft und ihrer Heimat. Ein Refugee-Projekt will mit Internetcafés diesen Zustand überwinden. Von Flüchtlingen für Flüchtlinge.

Yuzure Matsumoto aus Eritrea grinst über beide Ohren. Der neue Popsong aus seiner Heimat, den er vor dem Computerbildschirm sitzend hört, gefällt ihm ziemlich gut. Die Musik ist trotz seines Kopfhörers im ganzen Raum zu hören, sein Kopf nickt im Takt des Liedes. Yuzure freut sich, dass er nicht in der tristen Gemeinschaftsunterkunft seines Flüchtlingswohnheims sitzen muss. Er fühle sich wohl im »LaLoka«, dem ersten von Flüchtlingen selbst organisierten Internetcafé in Hellersdorf, sagt er.

Elf Computer befinden sich hier, dazu ein Tischfußball, eine Couchecke und ein kleiner Besprechungsraum. 2014 wurde das »Ladenlokal« in der Schneeberger Straße von der Flüchtlingsinitiative »Hellersdorf hilft« sowie von der studentischen Gruppe »Grenzen Weg« gegründet. Flüchtlinge durften die Räume nutzen, um dort ein Internetcafé einzurichten. »Die Computer werden von 35 bis 50 Personen am Tag genutzt. Darunter befinden sich Flüchtlinge aus den angrenzenden Unterkünften, aber auch Deutsche, die hier wohnen«, sagt einer der drei ehrenamtlichen Verantwortlichen des Cafés, Ali Shabaz. »Die Deutschen und die Geflüchteten kommen miteinander in Kontakt und verlieren die Angst voreinander«, fügt der ebenfalls im Café arbeitende Sajid Khan hinzu.

Die Flüchtlinge können im »LaLoka« mit ihren Familien kommunizieren und sich über die Entwicklungen in ihren Heimatländern informieren. Sie schauen hier Videos, hören Musik und spielen Computerspiele - ohne dafür zahlen zu müssen. Es werden auch Sprachkurse und Bewerbungstrainings angeboten. Gelegentlich organisiert das Projekt Veranstaltungen im Kiez. Es freuen sich jedoch nicht alle Nachbarn über den Ort. »Rechtsextreme bedrohen uns«, sagt Ali. Im Juli 2015 wurden fünf aufgereihte Patronen vor dem Schaufenster des Lokals gefunden.

Das »LaLoka« ist nur eines von mittlerweile neun selbstverwalteten Internetcafés, die von dem Verein »Refugees Emancipation« hauptsächlich in Flüchtlingsunterkünften betrieben werden. Zwei befinden sich in Berlin, die anderen in Brandenburg. Der aus Kamerun stammende Eben Chu gründete den Verein vor 14 Jahren mit anfangs fünf gespendeten Computern. »Wir konnten mit dem Internet die uns aufgezwungenen Barrieren überwinden und endlich an der Zivilgesellschaft partizipieren«, sagt Chu. Der Verein habe dabei von Beginn an ein klares Ziel verfolgt. »Es geht um Selbstermächtigung. Die Flüchtlinge sollen eine eigene Stimme bekommen«, sagt Chu. »Wir sind jedoch kein Internetdienstleister«, betont er. Der Verein will die Cafés unabhängig und selbstverwaltet betreiben. Man arbeite nicht mit jedem, der eine Anfrage stellt. »Wir haben die Schlüssel, wir machen die Regeln, wir entscheiden«, sagt Chu. Dies mache eine Zusammenarbeit mit den Heimen oft schwierig.

Es gebe aber ein großes Problem. »Wir arbeiten alle ehrenamtlich. Wir haben Technik, die repariert werden muss, Fahrt- und Seminarkosten. Die alltägliche Arbeit ist teuer und zeitintensiv« sagt Chu. Die Hackervereinigung Chaos Computer-Cub, der Freifunk Berlin sowie der Verein Freie Netze unterstützen das Projekt mit einer Spendenkampagne. 60 000 Euro wollen die Unterstützer sammeln, um den Verein für ein Jahr zu finanzieren. Sollte das Geld zusammenkommen, könnte das Projekt noch expandieren, sagt Chu. Neue Internetcafés in Berlin und Brandenburg, eine Zeitung, Blogs, Radiosender - Hauptsache von Flüchtlingen für Flüchtlinge.

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