Unterkomplex und Humorarm
Die Ausstellung »Redemption Jokes« im Kunstverein NGBK setzt ein interessantes Konzept schlecht um
Die Ausstellung »Redemptions Jokes« in der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst (NGBK) beweist trotz eigenem Pionieranspruch, wie wenig verbreitet Humor und Lachen in der Bildenden Kunst sind.
Humor ist eine schwierige Kategorie in der Bildenden Kunst, zumindest in ihrer zeitgenössischen Ausprägung. Ganze Armeen von Kunstschaffenden scheinen einem arg calvinistischen Arbeitsbegriff verpflichtet zu sein: Alles ist ihnen Arbeit und Werk. Jede Tätigkeit, auch die privateste, ist der Kunstverfertigung untergeordnet. Am schlimmsten ausgeprägt finden wird diesen Ethos oft bei den sogenannten Kunstmarktverweigerern. Wer für den bösen, bösen Kunstmarkt arbeitet, weiß beim Herstellen seiner Markenprodukte zumindest, wann die Schicht zu Ende ist. Kunstmarktverweigerer hingegen kennen in ihren Werkerschaffungs- und Werkwerdungsprozessen gar keine Pause mehr. Ihr Metier ist fürchterlich ernst. Ausnahmen wie der Gondelversenker, Geldscheinzersetzer und Bärenauswilderer Hans Winkler bestätigen die traurige Regel. Vor diesem Hintergrund ist daher das Vorhaben der NGBK, mit der Ausstellung »Redemption Jokes« (Erlösende Witze) das Lachen und den Humor wieder in die Kunst zurückzubringen, umso wichtiger.
Die Projektgruppe hätte es sich einfach machen und ein paar Positionen der Ausstellung »77 13. Politische Kunst im Widerstand in der Türkei« im Galerieraum stehen lassen können. Sener Özmens Fahnenhissgruppe mit Halskrause (»The Flag«) ironisiert charmant die Unbeweglichkeit politischer Ideologen. Sencer Vardarmans Sammlung von Protestikonen im Umfeld der Gezi-Park-Revolte in Istanbul wäre ein Höhepunkt auch dieser Ausstellung geworden. Vardarman präsentierte etwa Weiterentwicklungen des Bildes jener Frau, die sich den Wasserwerfern mit bloßem Oberkörper entgegenstellt hatte und nachträglich Hilfe durch den athletischen Körper des Fußballers Didier Drogba oder einer Jesus Christus-Figur erhielt. Ein anderer anonym gebliebener Medienkünstler setzte an ihre Stelle eine gigantische Geburtstagstorte, deren oberste Kerze vom Wasserstrahl gelöscht wird.
All diese Positionen hätten »Redemption Jokes« trotz Wiederholung bereichert. Jetzt aber wird man mit mäßig witzigen Zeichnungen von Grit Hachmeister und Claudia Gülzow über Hasen, Götter und anderes Personal konfrontiert. Bjørn Melhus, ein Videokünstler mit sardonisch-apokalyptischem Potenzial, ist mit einer eher schwächeren Arbeit vertreten, in der er die Leere in den neuen architektonischen Paradiesen vorstellt. Statt der befreienden Wirkung, die ein den ganzen Körper erschütterndes Gelächter hat, stellt sich allenfalls säuerliches Schmunzeln ein.
Die beste Position liefert Amit Epstein mit »Stockholm Syndrome part 3«, einem Film über einen jüdischen Racheengel, der Berlin heimsucht und sich dabei der Liedzeilen von Popklassikern bedient. Mit Leonard Cohens »First we take Manhattan« wird der Angriff auf die einstige Reichshauptstadt eingeleitet. Eine Gruppe von Nachfahren der Täter darf sich mit Depeche Mode-Karaoke (»People are People«) verteidigen: »Es ist offensichtlich, dass du mich hasst, obwohl ich nichts falsch gemacht habe. Ich habe dich noch nicht mal getroffen. Also was könnte ich Dir getan haben?« Das sind prächtige Sinnverschiebungen. Mehr davon hätte »Redemption Jokes« gut getan.
Leider verweigerte diese NGBK-Projektgruppe sogar die sonst übliche Diskursvermessungsarbeit. Gelächter ist eben nicht per se befreiend, sondern für Zielscheiben des Gelächters - siehe Judenwitze, Polenwitze, Schwulenwitzen etc. - oft beschämend, herablassend und zerstörend, während es die Lacher höhnisch vereint. Zumindest ein Hinweis auf die lachenden Folterer von Abu Ghraib, die scherzenden Angehörigen von Erschießungskommandos der SS und der Wehrmacht 1942 oder die vor Lachen berstenden Mitglieder mancher Todesschwadronen in Lateinamerika wäre notwendig gewesen, um das »befreiende Lachen« etwas besser einzuordnen. Ein Gang in den benachbarten Buchladen, verbunden mit einem Griff zu Klaus Theweleits »Das Lachen der Täter« hätte helfen können. Eine Ausstellung mit tollem Thema, leider beschämend schlecht umgesetzt.
Redemption Jokes, NGBK; Oranienstraße 25, bis 15.11., täglich 12-19, Do.-Sa. bis 20 Uhr
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