So schiebt Deutschland ab
Mehrheit der Bundesländer setzt auf verstärkte Ausweisung von Flüchtlingen / Rheinland-Pfalz und Thüringen setzen auf Beratungen und finanzielle Hilfen für freiwillige Ausreise / Brandenburg: Kaum Asylsuchende aus »sicheren Herkunftsstaaten« registriert
Innenministerium in Schwerin bereitet raschere Abschiebungen vor
Nach der Verschärfung der Asylrechtsregelungen strebt auch Mecklenburg-Vorpommern eine konsequente Abschiebung abgelehnter Asylbewerber an, lässt aber offen, wann damit begonnen wird. »Derzeit werden die notwendigen Vorbereitungen getroffen«, sagte eine Sprecherin des Innenministeriums am Montag in Schwerin. Nähere Angaben dazu wollte sie nicht machen. Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) hatte mehrfach beklagt, dass die bisherige liberale Vorgehensweise der aktuellen Lage nicht gerecht werde. Um schutzbedürftige Flüchtlinge aus Bürgerkriegsregionen aufnehmen zu können, müssten Menschen ohne Bleiberecht rasch zurückgeschickt werden, forderte Caffier. Laut Innenministerium lebten Ende September 3537 ausreisepflichtige Ausländer in MV.
Keine verstärkten Abschiebungen in Brandenburg
Die verschärften Regeln im Asylrecht führen in Brandenburg zunächst nicht zu einer massiveren Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern. In der Erstaufnahme des Landes in Eisenhüttenstadt (Oder-Spree) seien derzeit nur rund 30 Personen aus sicheren Herkunftsländern, sagte die stellvertretende Sprecherin des Innenministeriums, Susann Fischer, am Montag. Das Land setze weiterhin in erster Linie auf freiwillige Ausreise.
Für Abschiebungen seien in den meisten Fällen die Ausländerbehörden in den Landkreisen und kreisfreien Städten zuständig, erläuterte Fischer. »Da erfahren wir erst hinterher über die Abrechnungen der Kommunen, wie viele Menschen abgeschoben wurden.« In diesem Jahr wurden bis Ende September 321 Menschen fortgebracht; im gesamten Vorjahr waren es 112 endgültig abgelehnte Asylbewerber.
Laut Ministerium sind derzeit 3400 Flüchtlinge in den Erstaufnahmestellen des Landes. Ende September lebten in Brandenburg 113 anerkannte Asylbewerber, hinzu kommen rund 1800 anerkannte Kriegsflüchtlinge. Knapp 10 300 Menschen haben in Brandenburg ein befristetes Aufenthaltsrecht und rund 3800 werden geduldet, etwa aus gesundheitlichen oder sozialen Gründen.
In Rheinland-Pfalz gilt teilweiser Winterabschiebstopp
Das rot-grün regierte Rheinland-Pfalz setzt vorrangig auf Beratungen und finanzielle Hilfen für die freiwillige Ausreise. Das sei humaner, effektiver und unterm Strich auch kostengünstiger, heißt es im Integrationsministerium. Damit kommt es in Rheinland-Pfalz zu viel mehr freiwilligen Ausreisen als Abschiebungen. So sind laut Ministerium von Jahresbeginn bis Ende August 276 abgelehnte Asylbewerber aus Rheinland-Pfalz abgeschoben worden, davon 207 auf den Westbalkan. Zugleich habe es 1944 geförderte freiwillige Rückreisen gegeben - und 626 Ausreisen ohne Unterstützungen. Hinzu kommt jetzt der Wintererlass: Das Land will abgelehnte Asylbewerber in bestimmten Fällen vor der Abschiebung in eine kalte Heimat bewahren. Der Erlass von 2012 soll besonders schutzbedürftige Flüchtlinge wie etwa chronisch Kranke, alte Menschen und Schwangere schützen. Es geht aber nicht um einen generellen Stopp der Rückführungen im Winter. Ohnehin drängt die schwarz-rote Bundesregierung nun auf raschere und zahlreichere Abschiebungen.
Berlin will Zahl der Charterflüge für Abschiebungen erhöhen
Berlin will die Zahl der Charterflüge erhöhen, um - wie angekündigt - verstärkt abgelehnte Asylbewerber abzuschieben. Konkrete Angaben, wann und in welchem Umfang Rückführungen in welche Länder geplant sind, machte die Berliner Innenverwaltung aber nicht. »In Berlin werden abgelehnte Asylantragsteller aus den Westbalkanstaaten bereits konsequent zurückgeführt, regelmäßige Charterflüge sind - auch in den Wintermonaten - geplant«, sagte ein Sprecher der Innenverwaltung am Montag auf Anfrage. Berlin werde die notwendigen Vorbereitungen treffen, hieß es.
Mit 618 Rückführungen bis zum 1. Oktober sei die Zahl in diesem Jahr schon höher als im gesamten Jahr 2014. Mit einer Abschiebung müssten alle ausreisepflichtigen Asylbewerber rechnen, derzeit mehr als 9300.
Mehr freiwillige Ausreisen von Flüchtlingen aus Thüringen
Die Zahl der nach Ablehnung ihres Asylantrags freiwillig aus Thüringen ausgereisten Flüchtlinge hat sich spürbar erhöht. Im Oktober hätten bislang 229 abgelehnte Asylbewerber finanzielle Unterstützung für eine freiwillige Ausreise beantragt, berichtete MDR Thüringen bereits am Freitag unter Berufung auf das Migrationsministerium. In den Monaten zuvor hätten durchschnittlich 70 Flüchtlinge das Land freiwillig verlassen. Insgesamt verließen 633 Menschen Thüringen in Richtung ihrer früheren Heimat. Abgeschoben wurden seit Jahresbeginn 177 Asylbewerber, vor allem auf den Balkan.
Das Landratsamt Saalfeld-Rudolstadt teilte am Freitag mit, dass vor allem Asylbewerber aus den Balkanstaaten freiwillig zurückkehrten. Mit der im Zuge der Asylrechtsverschärfung bevorstehenden Einstufung von Albanien, Kosovo und Montenegro als sichere Herkunftsländer sei eine weiter zunehmende Rückkehrbereitschaft zu erwarten. Freiwillig ausreisende Asylbewerber können unter anderem die Reisekosten erstattet bekommen, je nach Herkunftsland sind auch Rückkehrbeihilfen möglich. Bei einer freiwilligen Ausreise droht im Gegensatz zur Abschiebung keine Wiedereinreisesperre.
Sachsen-Anhalt schiebt abgelehnte Asylbewerber zügiger ab
Angesichts der weiter hohen Zahl von einreisenden Flüchtlingen schiebt Sachsen-Anhalt verstärkt abgelehnte Asylbewerber ab. Dieses Jahr habe es bislang 700 Abschiebungen gegeben, im gesamten Vorjahr waren es etwa 630, wie das Innenministerium auf Anfrage mitteilte. Weitere 1300 abgelehnte Asylbewerber verließen das Land dieses Jahr bereits freiwillig. Am Dienstag gab es zum vierten Mal seit Juli eine Massenabschiebung. 77 rechtskräftig abgelehnte Asylbewerber aus dem Kosovo wurden vom Flughafen Leipzig/Halle aus in die Hauptstadt Pristina geflogen, wie das Innenministerium in Magdeburg mitteilte. Zudem saßen laut Ministerium weitere 40 Personen in der Chartermaschine, die von Sachsen abgeschoben wurden.
Die Zahl der Flüchtlinge liegt 2015 bislang bei etwa 22 000 - ein Vielfaches des Vorjahreswertes. Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) hatte im Sommer angekündigt, Abschiebungen zu beschleunigen. Dazu wurden die zuständigen Kommunen verpflichtet, Betroffene bereits vor dem ersten Abschiebungsversuch in der Regel nicht mehr über den Termin zu informieren. Dies soll verhindern, dass Betroffene untertauchen. Die härtere Gangart war allerdings beim Koalitionspartner SPD wie auch in der Opposition auf Kritik gestoßen. Sachsen-Anhalt hatte erste Sammelabschiebungen per Flugzeug bereits im Sommer organisiert. Konkrete weitere Termine für Sammelabschiebungen kündigte das Ministerium nicht an.
Sachsen richtet sich auf mehr Abschiebungen ein
Sachsen bereitet sich darauf vor, künftig mehr abgelehnte und ausreisepflichtige Asylbewerber abzuschieben. Das sagte ein Sprecher des Innenministeriums Ende vergangener Woche in Dresden. Zuvor hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizierè (CDU) beim Besuch einer Flüchtlingsunterkunft in Niederau bei Meißen die Länder aufgefordert, von Gesetzesänderungen Gebrauch zu machen, die eine beschleunigte Abschiebung ermöglichten.
Mit Stichtag 30. September hielten sich nach Angaben des sächsischen Innenministeriums 6309 sogenannte »vollziehbar Ausreisepflichtige« im Freistaat auf, von denen aber erfahrungsgemäß etwa 75 Prozent aus verschiedenen Gründen nicht abgeschoben werden könnten. So seien Abschiebungen beispielsweise bei Krankheit, Reiseunfähigkeit und fehlenden Passdokumenten nicht möglich. Dies gelte auch dann, wenn Familienangehörige krank seien oder sich noch in einem Asylverfahren befänden, sagte der Ministeriumssprecher. In diesem Jahr seien aus Sachsen bereits 953 Menschen abgeschoben worden, 2014 waren es 1037. Agenturen/nd
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