Das Unglück namens Leszek Miller

Polen könnte in den nächsten Jahren ohne parlamentarische Linke bleiben

  • Julian Bartosz, Wroclaw
  • Lesedauer: 3 Min.
Wie schwerwiegend der Rechtsruck in Polen ausfällt, hängt nicht zuletzt vom Abschneiden der linken Kräfte ab. Die kämpfen auch mit ihren Führungsfiguren, allen voran Expremier Leszek Miller.

Die Frage, ob die rechtskonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) nach den Parlamentswahlen vom Sonntag die Alleinherrschaft wird antreten können, bleibt bis zur offiziellen Bekantgabe der Ergebnisse offen. Dies hängt vorwiegend davon ab, ob die von der 40-jährigen Barbara Nowacka geführte »Vereinigte Linke« die für Wahlkoalitionen für den Sejmeinzug notwendige Hürde von acht Prozent doch noch schafft. Am Wahlabend wurde sie bei den ersten Hochrechnungen mit nur 6,6 Prozent der Stimmen notiert, Montagmittag war sie auf 7,5 Pozent gestiegen.

Es ist dies eine prinzipielle Frage. Kommt das linksliberale Wahlbündnis »Zjednoczona Lewica« (SLD, Palikot-Bewegung, Grüne und Polnische Sozialistische Partei) nicht durch, wäre Polen wohl das einzige europäische Land, in dessen Parlament keine linke Partei vertreten ist. Das würde auch bedeuten, dass sich Polens etablierte Linke im 26. Nachwendejahr komplett von der politischen Bühne abgemeldet hätte. Nach fast 75 Jahren Nachkriegszeit wäre das tatsächlich ein politisches Desaster.

Das Demokratische Linksbündnis (SLD) war nach Einbruch der pluralistischen Demokratie zweimal an der Macht: von 1993 bis 1997 und 2001 bis 2005. Beim zweiten Anlauf war die SLD mit über 41 Prozent der absoluten Mehrheit ganz nahe, fiel dann aber unter der autoritären Führung von Leszek Miller und seiner neoliberalen Politik auf 15 Prozent zurück. In den folgenden Jahren war es noch schlimmer. Die Miller-Partei erreichte kaum sieben bis acht Prozent. Aber der Vorsitzende blieb auf dem Parteichefsessel wie angeschraubt sitzen. Für die »Linke« ist er ein wahres Unglück. Hätte er Anfang dieses Jahres, vor der Staatspräsidentenwahl, die die PiS mit Andrzej Duda ebenfalls gewonnen hat, endlich die Parteiführung aufgegeben, hätte sich SLD wohl erholen und auf die Sejmwahlen aktiv vorbereiten können. Miller jedoch blieb stur.

Weil er aber an einen Wahlerfolg - das heißt an die Möglichkeit, selbstständig die Fünf-Prozent-Hürde nehmen zu können - selbst nicht mehr glaubte, ließ er sich zur »Vereinigten Linke« überreden. Es gab zwei Monate lang sogar zwei »Vereinigte Linke«. Als noch schlimmer erwies sich, dass sich Miller sogar in der Wahlkampfzeit nicht versteckt hielt, sondern sich immer wieder in allen möglichen Fernsehstationen mit seiner brummenden Stimme über die Bedeutung der Linken ausließ und objektiv den Wahlkampf von Barbara Nowacka störte.

Die potenzielle linke Wählerschaft konnte den fast 79-jährigen Pleitegeier eben nicht mehr riechen. Um es ganz deutlich zu sagen: Miller hat als ehemaliger Premier und jahrelanger Parteichef die Linke in den Bankrott geführt. Auch weil er mit der im vorigen Sejm stark vertretenen »Palikot-Bewegung« und ihrem Chef im ständigen Zank lag. Das war kein sachlicher Streit über Probleme, sondern leider Zank darüber, wer wohl der wichtigere Mann sei. Auch wenn das offizielle Wahlergebnis am Ende besser als bisher für die »Vereinigte Linke« ausfallen sollte und so Miller wieder ins Parlament einziehen könnte, bleibt er für die »potenzielle« Linke doch ein Problem.

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