Die Wunschliste der Peschmerga
Von der Leyen zu Gast bei den Waffenbrüdern und -schwestern im kurdischen Autonomiegebiet Iraks
»Es gibt einen steten Bedarf, das ist ganz klar«, zitiert dpa Ursula von der Leyen. »Denn die Kurden befinden sich im Krieg, im Krieg gegen den IS.« Die deutsche Verteidigungsministerin machte wenig Umschweife bei ihrer Begründung, warum Deutschland weiter Kriegsmaterial an die Kurden liefern werde; an die irakischen wohlgemerkt und ausschließlich an diese. Von der Leyen sagte dies am Dienstag bei einem Besuch in einem Ausbildungslager für Peschmerga-Kämpfer und vor allem -Kämpferinnen nahe Erbil, dem Sitz der Regierung der Autonomen Region Kurdistan in Irak. Peschmerga ist kurdisch und bedeutet so viel wie »Die dem Tod ins Auge Sehenden«. Davon gab und gibt es dort immer noch so viele Menschen wie in kaum einer anderen Region der Welt.
Vor reichlich einem Jahr war deshalb in Deutschland noch heftig diskutiert worden, ob überhaupt Waffen dorthin geliefert werden dürften. Vor allem die LINKE erinnerte an das Gebot, keine Waffen in Spannungsgebiete zu liefern. Ihr Abrüstungsexperte Jan van Aken äußerte seinerzeit zu dem Ansinnen: Wenn es irgend etwas in in der Region im Übermaß gebe, so seien das Waffen. Von dieser Feststellung ist heute gewiss kein Jota zurückzunehmen.
Einigermaßen verlogen war die Debatte schon damals auch insofern, dass sich gewichtige Teile des Regierungslagers, wenn man genau hinhörte, weniger um den hehren Friedensgedanken sorgten als vielmehr darum, dass die Waffen nicht am Ende etwa bei den »bösen« Kurden von der Arbeiterpartei Kurdistans in der Türkei landen. Aber mit Ankaras grimmigem Einverständnis lieferte man am Ende an die von ihm geduldeten Kurden. Weil schon Gewehre aus den einschlägig berüchtigten germanischen Waffenschmieden auf verschlungenen Wegen in die Fäuste der Gotteskrieger auf der anderen Seite der Front gelangt waren, resümierte die Hamburger »Zeit« damals: »Man schießt deutsch.«
Die Bundeswehr, so listet dpa auf, hat inzwischen bereits 1800 Tonnen Waffen und Ausrüstung an die Kurden geschickt, darunter 20 000 Gewehre und 1000 Panzerabwehrraketen. In den nächsten Tagen sollen 3000 Schutzanzüge gegen atomare, biologische und chemische Waffen, 2000 Schutzmasken, Funkgeräte und Sanitätsmaterial hinzukommen. Über Preise respektive Bezahlungen ist nichts bekannt. Vermutlich gab es keine. Schließlich sprach von der Leyen davon, dass man »zusammenstehen« müsse. Die Ministerin rief zur »Geschlossenheit im Kampf gegen den Islamischen Staat« (IS) auf. Nur so sei die Terrororganisation zu bezwingen. »Es wird noch ein langer, schwerer Kampf werden.«
Kurdenführer Massud Barsani fühlte sich davon offenbar ermutigt, seine Wunschliste erheblich zu verlängern. Vor allem von Panzerabwehrraketen des Typs »Milan« war die Rede; dazu Sturmgewehre vom Typ G 3 und G 36. Mit Klagemiene hatte Barsani die mitgereisten Bundeswehroffiziere darauf hingewiesen, dass Zehntausende seiner Kämpfer noch immer mit sowjetischen Kalaschnikow schießen müssten.
Barsani ist übrigens derzeit nicht mehr als ein Kriegsfürst. Auch sein außerplanmäßig um zwei Jahre verlängertes Mandat als Präsident der kurdischen Autonomie ist im August endgültig abgelaufen, und die rivalisierenden Gruppen Patriotische Union Kurdistans und Demokratische Partei Kurdistans - letztere wird von Barsani geführt - konnten sich bisher nicht auf eine Nachfolge einigen.
Aber mit derlei diplomatischen Feinheiten sah sich die deutsche Delegation offenbar nicht belastet und verhandelte mit »Präsident Barsani«, als wäre dies der legitime Vertreter aller irakischen Kurden. Überhaupt war am Dienstag in Erbil trutzige Offensive angesagt: Die Entscheidung für die Unterstützung der Kurden sei ein »Präzedenzfall für mehr deutsche Verantwortung in der Welt«.
Und so stapfte die Ministerin in Kampfstiefeln bei strömendem Regen durch den Schlamm im Ausbildungscamp, wo sich Peschmerga im Straßenkampf übten.
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