Camerons kaltes Herz erzürnt viele Briten

Das Königreich ändert im Sog der Flüchtlingskrise zaghaft seinen Umgang mit Asylsuchenden

  • Meike Stolp, London
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Flüchtlingskrise spaltet das Königreich. Die harte Haltung der Regierung Cameron verärgert inzwischen viele Briten. Immer mehr Bürger zeigen Eigeninitiative und stoßen Hilfskampagnen an.

Lange hat die britische Öffentlichkeit die Flüchtlingskrise am Mittelmeer wenig interessiert. Selbst die Dramen am Eurotunnel ließen viele Briten erst einmal kalt. Doch langsam ändert sich die Stimmung. Immer mehr prominente Künstler und Personen des öffentlichen Lebens setzen sich für die Aufnahme von Flüchtlingen ein. Und auch auf der Straße gibt es inzwischen Proteste. Am Wochenende sind Aktivisten in den Londoner Bahnhof King’s Cross eingedrungen, haben Rauchbomben geworfen und sich mit der Polizei angelegt.

»Die Menschen verstehen endlich, dass das, was gerade passiert, eine historische Bewegung ist, nicht nur ein Nachrichtenbestandteil«, erklärte etwa die britische Schauspielerin Juliet Stevenson in einem Interview mit der Zeitung »The Guardian«. Es werde nicht aufhören und »wir müssen uns daran erinnern, dass wir in einem Land leben, das eine stolze Tradition hat, Türen für Menschen zu öffnen, die humanitäre Hilfe benötigen.« Die 58-Jährige unterstützt die Bitte von anglikanischen Bischöfen, die Premier David Cameron in einem ursprünglich privaten und später veröffentlichten Brief aufgefordert hatten, 50 000 zusätzliche Flüchtlinge in den kommenden fünf Jahren aufzunehmen. Sie erinnerten an den »großen und liberalen Geist der englischen Kirche und das glorreiche Asyl, das England in allen Zeiten Fremden gegeben hat, die einen Schutzort vor Unterdrückung und Tyrannei gesucht haben«. Cameron gerät wegen seiner Flüchtlingspolitik immer mehr unter Druck. Die konservative Regierung will in den kommenden fünf Jahren 20 000 Flüchtlinge aufnehmen. Bis Weihnachten sollen nur 1000 ins Land gelassen werden.

Auch aus den Reihen der Opposition wird Cameron für seien Flüchtlingspolitik stark kritisiert. Labour-Politikerin Yvette Cooper erklärte, dass »alle Regierungen in Europa Schwierigkeiten haben, damit fertig zu werden und das Wetter wird kälter, es ist nicht länger eine Option für den Premierminister, dem Ganzen den Rücken zuzudrehen und so zu tun, als ob dies nicht unser Problem ist«. Der Vorsitzende der Liberaldemokraten, Tim Farron, sagte im Vorfeld einer Reise nach Lesbos zum Internetportal »Buzzfeed«: »Ehrlich gesagt, David Cameron würde ich erklären: Sie denken, die Bilder im Fernsehen sind schlimm. Warten Sie mal ab, wenn Weihnachten näher rückt und die Menschen sich mehr für gute Taten interessieren und wir dann Familien im Schnee sterben sehen, denen wir hätten helfen können.«

Die Briten warten nicht bis Weihnachten. Sie wollen jetzt schon helfen. Laut Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Populus hat allein im August ein Drittel der Briten auf ganz unterschiedliche Weise den Migranten unter die Arme gegriffen. Mehr als sechs Millionen Menschen sollen entweder einer Wohltätigkeitsorganisation Geld gespendet oder anderweitig geholfen haben. 10 Prozent der Befragten sollen Essen, Kleidung oder andere Güter gespendet haben. 9 Prozent sollen entweder in ihrer Freizeit geholfen oder in Kampagnen der sozialen Netzwerke die Flüchtlingshilfe unterstützt haben.

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