Seehofer prüft dieses und jenes

CSU-Chef erneuert sein Ultimatum an die Kanzlerin und deutet Konsequenzen schon mal an

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.
Die CSU macht gegenwärtig den Eindruck eines Stresspatienten. Der Körper reagiert auf vermeintliche Bedrohungssituationen mit einem «Kampf-oder-Flucht-Mechanismus». Noch kämpft der Seehofer.

Die bayerischen Politiker, in der Bundes- wie der Münchner Landesregierung, nehmen kein Blatt mehr vor den Mund. Da das Objekt ihrer Empörung die Bundeskanzlerin selbst ist, kann man wohl von einem akuten Stresssyndrom ausgehen. Immerhin sind Hierarchien für Horst Seehofer, den bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden, eine Art Naturgesetz und damit heilig. Trotzdem legte er am Mittwoch, einen Tag nach dem Ultimatum, das er Bundeskanzlerin Angela Merkel für den kommenden Sonntag gestellt hatte, nach. Er verlangte eine Reduzierung der Flüchtlingszahlen innerhalb weniger Wochen. Da er dies von Merkel persönlich verlangte, lässt dies auf ein fortgeschrittenes Stadium des Stresssyndroms schließen, bei dem es «zu pessimistischem oder irrationalem Denken» kommen kann, wie der Praxisatlas Gesundheit verrät.

Irrational deshalb, weil Merkel so wenig wie er selbst Einfluss auf die Zahl der Flüchtlinge nehmen kann. Also ist wohl eher eine Einreiseverweigerung und -verhinderung gemeint, von der Seehofer spricht. Dies wiederum bringt eine Art Zweifel am Grundgesetz zum Ausdruck. Und tatsächlich fallen immer wieder Stichworte, die geeignet sind, Flüchtlinge quasi an der Grenze zu stoppen.

Die Rede ist von den Schnellabschiebeunterkünften, auch «Transitzonen» für chancenlose Asylbewerber in Grenznähe, vom Schutz der EU-Außengrenzen, von Kontingentierungen - also von Obergrenzen - und von einer EU-Vereinbarung mit der Türkei, die Flüchtlinge möglichst bei sich zu behalten. All diese Optionen vernachlässigen die Folgen nicht nur für die geflüchteten Menschen, sondern auch für die Länder, die sich nicht anders zu helfen wissen als mit der Durchleitung der Ankommenden. Diese würden sie nach Seehofers Plänen zum Teil zurückbekommen. Und sie vernachlässigen das Grundrecht auf Asyl in seiner jetzigen Auslegung.

Ausdrücklich nimmt Seehofer Ärger mit Österreich in Kauf. Mehr noch, er schürt ihn. Dies geschieht nicht im Affekt, wie Äußerungen des Bundesinnenministers vom Mittwoch zeigen. Seehofers CSU-Parteifreund Thomas de Maizière beanstandete, «dass Flüchtlinge ohne jede Vorwarnung nach Eintritt der Dunkelheit an bestimmte Stellen gefahren worden sind und dort unvorbereitet und ohne jede Vorsorge an die deutsche Grenze gekommen sind». Nun habe Österreich zugesagt, «wieder zu einem geordneten Verfahren zurückzukehren», meinte der Minister in Berlin. «Ich erwarte, dass das ab sofort geschieht.»

Um Optionen geht es nach den Worten Seehofers auch, wenn es am Wochenende keine Einigung auf die bayerischen Vorstellungen gibt und am Montag dann der CSU-Vorstand zusammentritt. Bereits in den vergangenen Tagen war von einer möglichen Klage Bayerns gegen die Bundesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht die Rede gewesen.

Mit politischen und juristischen Konsequenzen drohte Seehofer auch am Mittwoch. «Wir sind auf alles vorbereitet, juristisch, politisch, prüfen dieses, jenes», zitierte die Nachrichtenagentur dpa den Ministerpräsidenten aus dem Landtag in München. In einem «Bild»-Bericht war bereits ein angebliches Szenario für den Fall des Scheiterns ausgebreitet worden. Danach sei als «Ultima ratio» an einen Rückzug der CSU-Minister aus dem Bundeskabinett gedacht. Seehofer habe dies auf Nachfragen nicht dementiert, hieß es. Allerdings hatte er einen Bruch der Koalition zuvor bereits ausgeschlossen.

Seehofer: Was «letzten Endes» zu machen sei, könne man nur im Lichte der Gespräche entscheiden«. Nach einem Gespräch mit Merkel am Samstag ist ein Dreiertreffen mit SPD-Chef Sigmar Gabriel am Sonntag geplant. Beispielsweise sei man intensiv in der »Klageprüfung«, verriet Seehofer schon mal. Wie lange es bis zur einer juristischen Entscheidung dauern würde, bei der es doch um jeden Tag geht, ist allerdings offen.

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