Wiener Zeichen der Hoffnung
Vorsichtige Annäherung Russlands und der USA auf der Außenministerkonferenz zu Syrien
Eingeladen hatte der UN-Sondervermittler für Syrien, Staffan de Mistura, zusammen mit den beiden Außenministern Russlands, Sergej Lawrow und der USA, John Kerry. Vertreten waren zudem die UN-Vetomächte China, Frankreich und Großbritannien sowie die Nachbarländer Syriens Irak, Türkei, Jordanien und Libanon. Weiterhin nahmen die Außenminister aus Saudi Arabien, Iran, Ägypten, Oman, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Katar, Deutschland und Italien teil. Auch die Europäische Union war vertreten.
Nicht anwesend war dagegen Syrien, was den Stellvertretercharakter des blutigen Konflikts in der Levante deutlich macht. Weder die syrische Regierung noch die verschiedenen Fraktionen der politischen Opposition oder der kämpfenden Gruppen waren zu dem Treffen eingeladen.
Nach den rund siebenstündigen Beratungen erläuterten Kerry und Lawrow und de Mistura vor Journalisten die ersten Ergebnisse. Einig sei man sich in der Bewertung der katastrophalen Auswirkungen des Krieges in Syrien, der das »soziale, wirtschaftliche und politische Gefüge der Region« gefährde, sagte Kerry. Die Kämpfe und das Morden müssten »absolut gestoppt werden«. Dafür müssten alle »diplomatischen Mittel« eingesetzt werden.
Als erstes Ziel wird ein »landesweiter Waffenstillstand« angestrebt. Das gilt allerdings nicht für den selbst ernannten »Islamischen Staat« (IS), über dessen terroristischen Charakter sich alle Anwesenden einig waren. Terroristische Gruppen dürften »keine Chance haben, irgendwo im Land an die Macht zu kommen«, so der russische Außenminister Lawrow. Auch Kerry bekräftigte, man dürfe »niemals zulassen, dass der IS oder andere terroristische Gruppen Syrien regieren«. Welche der 1500 Milizen, die es nach einer Analyse der UN in Syrien gibt, als Terrorgruppe eingestuft wird, darüber soll bei einem gesonderten Treffen der Außenminister Einigkeit erzielt werden.
Mit der Umsetzung eines Waffenstillstandes soll eine »Übergangsregierung« gebildet werden. Außerdem soll es eine neue Verfassung für Syrien geben. Schließlich werden Wahlen unter UN-Kontrolle angestrebt, erläuterte Lawrow. Die staatlichen Institutionen Syriens müssten erhalten bleiben. Ein nächstes Treffen ist in zwei Wochen in Wien geplant.
Bezug nehmend auf die Rolle des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad betonte Kerry, er sei sich mit Lawrow und Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif »einig darüber, dass sie nicht die gleiche Meinung« zu der Frage hätten, welche Rolle Assad in der Zukunft Syriens spielen könne. Für Washington sei vorstellbar, dass der syrische Präsident während einer Übergangsphase bleiben könne, nicht aber auf Dauer. Lawrow betonte dagegen, es sei das Recht der Syrer, darüber zu entscheiden, ob sie eine Zukunft mit Assad als Präsident oder ohne ihn wollten. UN-Vertreter de Mistura wiederholte seinen Aufruf an alle in den Krieg in Syrien involvierten Staaten, auf ihre jeweilige Klientel in Syrien einzuwirken, um diese an den Verhandlungstisch zu bringen.
Die UNO vier Arbeitsgruppen eingerichtet, in denen Vertreter von Opposition und Regierung themenbezogen über Reformen und Veränderungen beraten sollen. Die in Istanbul ansässige »Nationale Koalition«, eine vom Westen, der Türkei und den Golfstaaten unterstützte Gruppe der Auslandsopposition, verweigert bisher ihre Mitarbeit.
Der in Damaskus lebende Professor für Recht und Philosophie, George Jabbour, sagte im Gespräch mit der Autorin, er sehe »Anzeichen, dass die beiden Hauptakteure Russland und USA« sich annäherten. Auch scheine es möglich, dass die beiden »regionalen Hauptakteure, Iran und Saudi-Arabien« aufeinander zugingen. Abzuwarten bleibe, wie die Bevölkerung in der Türkei bei den Wahlen entscheide. Den Syrern bleibe »nichts, als die Tage bis zum nächsten Treffen in Wien zu zählen«, so Jabbour. Er begrüße die Äußerungen des UN-Generalsekretärs Ban Ki Moon der »dem syrischen Volk nicht das Recht abspricht, selber über die Regierung zu entscheiden, die es führen soll.«
Ban hatte am Wochenende in Genf erklärt, dass »die Zukunft Syriens und die Zukunft all dieser (…) Verhandlungen, nicht von der Frage nach der Zukunft eines Mannes blockiert werden darf. Meine grundsätzliche Meinung ist, dass das syrische Volk über die Zukunft von Präsident Assad zu entscheiden hat.«
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