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Union an der Zonengrenze

CDU/CSU-Papier zur Flüchtlingskrise setzt auf Abschreckung

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Transitzone oder Einreisezentrum? Der Streit um das richtige Konzept entzweit die Große Koalition. Dabei halten Fachleute beide Vorschläge für untauglich, die Flüchtlingskrise zu lösen.

»Für den Moment bin ich zufrieden, aber wir haben noch ein gehöriges Stück Arbeit vor uns. « Mit diesen versöhnlichen Worten kommentierte CSU-Chef Horst Seehofer am Montag den Unions-Kompromiss zur Flüchtlingspolitik. Seehofer hatte im Vorfeld gedroht, seine CSU-Minister aus dem Bundeskabinett abzuziehen, sollte Merkel nicht auf seine Forderungen eingehen. Dazu zählte eine Obergrenze für Flüchtlinge und das Errichten von Grenzzäunen. Beides findet sich so nicht in der Vereinbarung wieder. Das im Papier formulierte Hauptziel ist es, »die Zahl der Flüchtlinge zu reduzieren«.

Neben einer schwammig gehaltenen Erklärung zur Bekämpfung von Fluchtursachen sollen an der deutsch-österreichischen Grenze Transitzonen eingerichtet werden. Asylbewerber »aus sicheren Herkunftsländern, mit Wiedereinreisesperre, mit Folgeanträgen und ohne Mitwirkungsbereitschaft« erhalten dort ein »beschleunigtes Asylverfahren«. Sprich: Sie kommen nicht nach Deutschland.

Das Prozedere in den Zonen soll sich am »Flughafenverfahren« orientieren. An deutschen Airports werden Antragsteller, die ohne gültige Papiere oder aus einem »sicheren Herkunftsland« einreisen wollen, im Transitbereich festgehalten. Dort werden sie vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) angehört. Ob sie das Land betreten dürfen oder man sie zurückschickt, entscheidet sich so innerhalb weniger Tage. Wohl auch mit Blick auf SPD-Chef Sigmar Gabriel betonen die Unionsparteien, »dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts« das Flughafenverfahren »keine Hafteinrichtung« sei.

Gabriel hatte in den letzten Tagen die Forderungen nach Transitzonen mit der Begründung zurückgewiesen, diese seien in Wirklichkeit »riesige Haftanstalten«. Da im Unterschied zum Flughafenverfahren keine Rücknahmeverpflichtung der Herkunfts- und Transitstaaten bestehe, müssten abgelehnte Asylbewerber »lange im Lager bleiben«.

Die Sozialdemokraten favorisieren deshalb »dezentrale Einreisezentren«. In einem SPD-Papier, das »nd« vorliegt, heißt es dazu: »Einreisezentren können von Bund und Ländern in Erstaufnahmeeinrichtungen und Wartezentren betrieben werden«, also auch weit weg von der Grenze. Damit Asylbewerber das Verfahren dort über sich ergehen lassen, soll »die Gewährung von Leistung« an die Registrierung in einem solchen Zentrum gebunden sein.

Günther Burkhardt, Geschäftsführer von Pro Asyl, kritisierte am Montag das SPD-Konzept als »Fortschreibung des bestehenden Systems«. Im Gespräch mit dieser Zeitung appellierte er an die Sozialdemokraten, »bei ihrem Nein zu Transitzonen zu bleiben«. Die Bundesregierung sollte »alle Energie darauf setzen, ihre westlichen Partner wie Frankreich, Großbritannien und die USA dafür zu gewinnen, ihrerseits Flüchtlinge aufzunehmen«. Viele der Menschen aus Syrien oder Irak wollten gar nicht nach Deutschland, sondern zu Verwandten nach Frankreich oder Belgien, so Burkhardt gegenüber »neues deutschland«.

Besonders scharf attackierte er die Vereinbarung der Union, den Familiennachzug teilweise auszusetzen. »Das wird dazu führen, dass ganze Familien in die Boote steigen, um nicht getrennt zu werden.« Schon jetzt sei dieser Trend an Griechenlands Küsten erkennbar, wo innerhalb der letzten vier Wochen 50 Menschen ertranken, darunter viele Kinder.

Deutliche Kritik an den Transitzonen kommt auch vom Vizevorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei, Jörg Radek: »An den Flughäfen funktioniert dieses Verfahren allein aufgrund der geringen Zahl der Personen, die dort durchgeschleust werden. An den deutschen Binnengrenzen würden sich sehr schnell Massenlager bilden, die kaum zu organisieren sind.« Tatsächlich zählte das BAMF im vergangenen Jahr insgesamt 643 Flughafenverfahren. Zum Vergleich: Über die bayerischen Grenzen reisen täglich bis zu 8000 Flüchtlinge ein.

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