Brandschutztür nur für Sprinter
Beim Stuttgart-21-Tiefbahnhof gibt es nach wie vor gravierende Sicherheitsprobleme
Stuttgart. Nach jahrelangen Debatten um Brandschutz und Fluchtwege im geplanten Stuttgart-21-Tiefbahnhof erwägt die Deutsche Bahn neue Lösungen. Der Architekt Christoph Ingenhoven und Behindertenverbände haben Bedenken gegen die bislang geplanten acht Flucht-Treppenhäuser angemeldet, wie ein Bahnsprecher am Dienstag in Stuttgart erläuterte. Während der Architekt dieses Konzept aus ästhetischen Gründen ablehne, sorge es aus Sicht der Menschen mit Handicap für Engpässe auf den Bahnsteigen. Bei der Bauherrin Bahn wird nach Unternehmensangaben überlegt, die Fluchtmöglichkeiten jeweils am Ende der vier rund 400 Meter langen Bahnsteige einzurichten. Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 hält nichts von der neuen Idee und fragt: »Soll der Brandschutz nur für leistungsfähige Sprinter greifen, denen Hunderte Meter Entfernung im Brandfalle nichts ausmachen?« Die Bahn versichert im Blick auf längere Wege für die Reisenden, es werde auch bei der Entrauchung des Gebäudes Änderungen geben.
Der Bahnsprecher sprach von einer neuen »Belüftungssituation«, ohne aber Details zu nennen. Er wies darauf hin, dass für die bisherige Planung eine Baugenehmigung vorliege. Die Bahn gehe im Falle der Umplanung weder von Mehrkosten über die bisher kalkulierten 6,5 Milliarden Euro hinaus noch von Zeitverzögerungen aus. Für die von Behindertenvertretern stets geforderten Rampen als Fluchtwege fehlt der Platz im Tiefbahnhof. Laut Bahn gibt es aber für Rollstuhlfahrer Lifte, die auch im Brandfall benutzt werden können. Das Thema Brandschutz wird nun den Stuttgart-21-Lenkungskreis beschäftigen. Die Spitzenrunde mit Vertretern von Bahn, Verkehrsministerium, Projektgesellschaft, Stadt und Region Stuttgart trifft sich an diesem Mittwoch.
Die Stadt Stuttgart interessiert sich vor allem für den Nachweis der Standsicherheit des unterirdischen Bahnhofs. Kürzlich war bekannt geworden, dass die Bahn noch nicht die nötigen Statik-Nachweise für die Betonierung der Bodenplatte des Tiefbahnhofs erbracht hat. Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) hatte sich irritiert gezeigt und verlangt, dass die Bahn ihre »Hausaufgaben« macht. Er forderte spätestens beim Lenkungskreis Aufklärung darüber, ob und welche Folgen dies für den Zeitplan habe. Die ersten Züge sollen laut Bahn Ende 2021 durch den Tiefbahnhof rollen. Aus Sicht der Stuttgart-21-Gegner ist der fehlende Nachweis nicht verwunderlich. Es sei seit langem bekannt, dass der neue Bahnhof auf sumpfigen Untergrund geplant sei, sagte der Sprecher der Parkschützer, Matthias von Herrmann. Dafür werden mehrere Hundert Ankerungspfähle in den Untergrund gerammt. Schon vor Jahren hatte der Stuttgarter Architekt Frei Otto das Horrorszenario eines Bahnhofs, der »wie ein U-Boot aus dem Meer« hochsteigen könnte, beschworen. dpa/nd
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