Elf Sozialisten müsst ihr sein
Nicht verteilter Reichtum schaftt Monopolstellungen und setzt den Wettbewerb außer Kraft
31 Punkte nach elf Spielen sagt die Tabelle. Der FC Bayern eilt von Sieg zu Sieg. Außerdem könnte er diese Saison wieder Rekorde knacken und Superlative setzen. Langeweile heißt der neue Star der Liga. Was Europas Fußball jetzt braucht ist ein bisschen »amerikanischer Sozialismus«.
»Ich war am Samstag wieder bei den Bayern in der VIP-Lounge«, verkündete ein Kollege fröhlich. Er hat wohl Beziehungen und bekommt regelmäßig VIP-Karten geschenkt. Das Essen sei lecker, die Konversation angenehm in diesen Lounges. »Wie kannst Du nur?«, fragte ich. »Das hat doch nichts mehr mit Fußball zu tun. Alleine diese Langeweile, durch die Allmacht der Bayern.« Der Mann ist ein alter Fußballer, jemand der auch noch auf den guten alten Fußballplatz geht, wo der Kommerz kein »offizieller Partner der Liga« ist. »Ich gehe da ja nicht zum Sport, sondern zu einem Event«, antwortete er. »Die Entwicklung kann man nicht mehr stoppen. Was willst du denn dagegen machen?« Und genau das ist falsch. Vielleicht kriegt man das ganz große Geld nicht mehr aus diesem Sport heraus. Das mag sein. Aber die Dominanz des FC Bayern kann man brechen. Man müsste die Rahmenbedingungen nur ändern. Das sagte ich meinem Kollegen auch so und dann zitierte ich quasi Jens Berger, der kürzlich mit seinem Buch »Der Kick des Geldes« eine fabelhafte Analyse »unseres Fußballs« vorgelegte. Wer Zahlen und Fakten braucht, um gegen den Fatalismus mancher Fans zu argumentieren, dem sei das Buch dringend empfohlen.
»Während im vermeintlich sozialdemokratischen Europa im Profifußball der pure Manchester-Kapitalismus herrscht, haben die Profiligen der erzkapitalistischen USA erkannt, dass ein zu freier Markt nicht nur die Schwachen, sondern am Ende auch die Starken schwächt«, schreibt Berger dort unter anderem. Er bezieht sich dabei auf etwaige Regelungen, die es in der NBA, der NFL oder der NHL gibt: Gehaltsobergrenzen (Salary Cap) und die Verteilung von Talenten auf alle Teams (Draft). Dabei wird von Saison zu Saison entschieden, wie hoch das maximale Gehaltsaufkommen eines Teams sein darf. Gerät ein Team über diese Grenze, zahlt es eine Strafe in einem Topf für die Allgemeinheit. Die Strafe ist dabei nicht pauschalisiert, sondern richtet sich nach dem Maß der Überschreitung. Das Geld wird am Ende an die Teams ausbezahlt, die sich an die Obergrenze halten. Am Anfang jeder Saison werden die neuen Talente dann aufgeteilt und nicht etwa einem Ligakrösus feilgeboten, der sie sich leisten kann. Jedes Team darf abwechselnd wählen, wobei die schwächeren Teams zuerst dürfen. Diese kurze Erklärung ist nur eine grobe Übersicht. Aber sie zeigt, dass man in den USA kapiert hat, dass der Sport am Krückstock geht, wenn man keine Spannung erzeugen kann, wenn der Wettbewerb faktisch deaktiviert ist. Dieser »amerikanische Sozialismus« ist kein Spleen von Übersee, sondern in ihm läge vielleicht die Rettung des hiesigen Fußballs.
Ja, die Rettung! Denn wenn wir in die nationalen Ligen schauen, zeichnet sich in vielen Ländern ein Trend ab: Langeweile. In Spanien dominieren Barcelona und Real Madrid die Liga so sehr, dass zu bestimmten Spielen kaum noch Zuschauer kommen. Konnten Anfang der Neunzigerjahre noch die Blackburn Rovers überraschend den englischen Titel holen, wäre so ein Ereignis heute völlig undenkbar. Die potenten Klubs reicher Geldgeber haben sich ihre Dominanz gesichert. Paris Saint-Germain gewinnt Meisterschaft um Meisterschaft - dank eines milliardenschweren Katari, dem der Klub faktisch gehört. Geld schießt eben doch Tore, auch wenn Romantiker gerne behaupten, dass Fußball eine durchlässige Angelegenheit sei. Aber er ist es nicht. Man kann sich Erfolg kaufen.
Die Presse berichtet selig von den Superlativen der Bayern. Aber das ist kein Grund zur Freude. Es ist der Beleg dafür, dass nicht verteilter Reichtum Monopolstellungen schafft und den Wettbewerb außer Kraft setzt. Und das ist der Todesstoß für jeden Sport. Derzeit wird in vielen Ligen nicht mehr um die Meisterschaft gekämpft. Man verwaltet den Titel. So wie der FC Bayern hierzulande. Da möchte man nur noch gähnen. Und damit die Leute nicht nach und nach an den Spieltagen auf der Couch dösen, bräuchte es diesen Sozialismus. Und billigere Eintrittspreise, weniger Gentrifizierung. Aber das ist eine andere Geschichte. Auch nachzulesen bei Jens Berger.
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