In der Pause zur Chemo

Gewerkschaften fordern bessere Arbeitsbedingungen in Textilfabriken Südasiens

  • Hagen Jung, Hannover
  • Lesedauer: 3 Min.
Textilarbeiterinnen aus Bangladesch und Indien haben in Hannover eine Resolution an Billiganbieter von Textilien vorgestellt. Lebensbedrohende Produktionsverfahren kamen zur Sprache.

Manchmal dürfen die Arbeiter einer Textilfarbenfabrik im indischen Bangalore auch mal Pause machen. Nicht zur Erfrischung in einer Kantine, sondern zur Chemotherapie. Durch sie soll nicht zu viel Produktionszeit verloren gehen, deshalb ist eine Klinik ganz nah am Werk eingerichtet worden. Eigens für die vielen Beschäftigten, die bei der Herstellung billiger Farben für billige Shirts und billige Hosen mit gefährlichen Substanzen umgehen, dadurch an Krebs erkranken und dennoch weiter arbeiten müssen. Arbeiten, zur Chemo, weiter arbeiten, wieder Chemo ...

Von der Krebsklinik berichtete jetzt in Hannover der deutsche Gewerkschafter Festim Lezi, Gesamtbetriebsratsvorsitzender der Modekette Zara, der sie während einer Reise nach Indien und Bangladesch gesehen hatte. Ziel seiner Tour war es gewesen, die Situation der Beschäftigten in Textilfabriken kennenzulernen und sich über das Engagement ihrer Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen zu informieren.

Drei Frauen aus ihrem Kreis, aus Indien und Bangladesch, waren in die niedersächsische Hauptstadt gekommen. Mit Kolleginnen und Kollegen der Gewerkschaft ver.di wollten sie Vertretern der Zara-Geschäftsführung ein Schreiben mit Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen übergeben. Die Manager waren zur Betriebsräteversammlung der Textilkette in Hannover erwartet worden.

Zuvor berichteten die Frauen von der katastrophalen Situation, unter der die Arbeiterinnen und Arbeiter in ihrer Heimat leiden. Von langen Arbeitstagen, miserablem Lohn und dem Druck seitens der Unternehmen. Um ihrerseits Druck auf die Arbeitgeber ausüben zu können, haben die Bekleidungsgewerkschaften Südostasiens zusammen mit ver.di, deutschen Betriebsräten und dem Gewerkschafternetzwerk »TE Global« die Gemeinschaft »ExChains« geschaffen. Sie will internationale Solidarität zwischen den Beschäftigten entlang der Textil-, Bekleidungs- und Einzelhandelskette fördern.

Im Rahmen dieser Aktivität hat ExChains in den vergangenen Wochen »Organisierungsprojekte« bei Zulieferern multinationaler Textilkonzerne gestartet. Ergebnis ist ein Forderungskatalog, der nun dem Management von Zara, H&M und weiterer Textilanbieter zugeleitet wird. Sie sollen garantieren, dass sich die Beschäftigten ihrer Zulieferer gewerkschaftlich organisieren können, ohne Angst vor negativen Konsequenzen haben zu müssen.

Auch erwarten die Gewerkschafter von den Textilketten eine weitgehende Transparenz: Sie sollen die Zulieferer nennen, die Einkaufspreise ihrer Waren offen legen, und: Die Menge der Bestellung, der Wert sowie die Produktions- und Lieferzeiten müssen den Arbeitern aller Zulieferfabriken bekannt gemacht werden, heißt es in der Resolution. Des Weiteren fordert ExChains Komitees gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, in denen Gewerkschafter vertreten sind. Die Textilketten sollen künftig nur bei Zulieferern einkaufen, bei denen es solche Komitees gibt.

Auch die Kunden in Deutschland können diese Forderungen unterstützen. Wer Textilien kauft, solle im Geschäft die Frage stellen: Wo wird dieses Teil produziert und unter welchen Bedingungen, raten die deutschen Gewerkschafter. Die Bedingungen für die Produzenten könnten sich schon verbessern, wenn ein T-Shirt nur elf Cent teurer wäre als jetzt, sagte Zara-Betriebsrat Festim Lezi. Nach seiner Erfahrung wären die Käufer durchaus bereit, die winzige Erhöhung zu tragen , aber: Die Unternehmer machen nicht mit, wollten ihren Profit nicht im Geringsten reduzieren, gab Lezi zu verstehen.

Er hatte in Indien und Bangladesch mit ansehen müssen, welche schlimmen Folgen dieses Profitdenken hat, nicht nur beim Blick auf die Krebsklinik. Manche Medien, so Lezi, würden in ihren Berichten über Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken maßlos untertreiben. Die Realität sei viel härter.

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