Boss einer »Babygang« verhaftet
Hoffnung auf Aufklärung von Mafiakrieg in Neapel
Den mobilen Einsatzkräften der Antimafiabehörden ist ein Schlag gegen die Camorra gelungen: In der umbrischen Stadt Terni geriet der 24-jährige Pasquale Sibillo, Chef des nach ihm benannten Clans, der Polizei in die Fänge. Der seit Juni mit Haftbefehl des neapolitanischen Staatsanwalts Henry John Woodcock gesuchte Mafiaboss muss sich nun für mehrere Morde verantworten. Die Antimafiabehörde DDA zeigt sich überzeugt, dass nach der Verhaftung »Lino« Sibillos auch der seit Monaten in Neapel tobende Bandenkrieg aufgeklärt werden kann.
Sibillo ist der Chef eines sogenannten Babyclans - weil sowohl Boss als auch Mitglieder das Alter von 25 Jahren noch nicht überschritten haben. Er fiel der Polizei eher zufällig bei einer Routinefahrzeugkontrolle auf. Die Beamten stoppten das Auto und forderten die Insassen zum Aussteigen auf. Bei der Personenkontrolle fiel einem der Beamten eine Tätowierung am Arm des Beifahrers auf, mit dem er den gesuchten Sibillo identifizieren konnte.
Der Verhaftete wurde den Behörden in Neapel überstellt. Dort wird sich Sibillo für wenigstens drei Morde, die man ihm zur Last legt, verantworten müssen. Die Bluttaten der vergangenen Monate begannen mit dem Mord an Pasquale Sibillos Bruder Emanuele. Der 20-Jährige - seit dem 9. Juni nach einer Razzia gegen die Camorra flüchtig - war in der Nacht zum 2. Juli im Zentrum Neapels tot aufgefunden worden. Sibillo, der traditionell mit den Clans Brunetti und Amirante den Wohnbezirk Forcella beherrscht, begann einen Rachefeldzug.
Bei den Auseinandersetzungen, so die Antimafiaermittler, ging es vor allem um die Vorherrschaft der Clans im historischen Stadtkern von Neapel. Seit langem stehen sich die Clans Sibillo-Brunetti-Amirante (Forcella) sowie Del-Prete und Mazzarella (Viertel Maddalena) feindlich gegenüber. Nach dem Mord an seinem Bruder entfachte Pasquale Sibillo den Krieg gegen die Maddalena-Gangs. Am 31. Juli fand die Polizei zwei Todesopfer der Clanfehde, ein weiteres am 7. August. Auch im September rissen die Schießereien mit Todesopfern auf beiden Seiten nicht ab. Unter den Opfern war der siebzehnjährige Genny Cesarano, der von seinen Killern offensichtlich mit dem Mörder von Emanuele Sibillo verwechselt wurde.
Innenminister Angelino Alfano bezeichnete die Verhaftung Sibillos als »einen außerordentlichen Erfolg des Kampfes gegen das organisierte Verbrechen«. Regierungschef Matteo Renzi erklärte, der Schlag gegen die Camorra dürfte das Vertrauen der Bevölkerung in die Sicherheitsorgane stärken. Allein die Praxis auf Neapels Straßen wird zeigen, ob beide Politiker Recht haben könnten.
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