Die Airlines meiden Sinai

Putin ordnet Einstellung russischer Flüge nach Ägypten an / Kairo steht auf der Bremse

  • Oliver Eberhardt, Jerusalem
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach dem Flugzeugabsturz in Ägypten versuchen Fluglinien, Urlauber aus Scharm el-Scheich heimzuholen. Nach der britischen Regierung halten nun auch die USA einen Anschlag für möglich.

Plötzlich ging alles ganz schnell. Am Freitagmorgen kam am Flughafen des ägyptischen Badeortes Scharm el-Scheich ein neuer Airportchef an und brachte mit, was Mitarbeiter von Airlines und Verwaltung jahrelang vergeblich gefordert hatten: neue, moderne Röntgengeräte, Ausrüstung, mit der sich Spuren von Sprengstoff an Passagieren und ihrem Gepäck nachweisen lassen. »Ich weiß, dass es für einen planmäßigen Betrieb noch lange nicht genug ist«, sagt der neue Airportchef Emad el-Balasi, ein ausgebildeter Pilot. »Aber es reicht, um die Urlauber so schnell wie möglich nach Hause zu bringen.«

Fast eine Woche nach dem Absturz eines russischen Passagierflugzeugs über der Sinai-Halbinsel haben alle europäischen Fluglinien ihre planmäßigen Flüge nach Scharm el-Scheich eingestellt; auch Russlands Präsident Wladimir Putin ordnete am Freitag auf Empfehlung des Geheimdienstes ein Flugverbot an. »Nach Auswertung von Informationen aus Großbritannien und den USA ist dies unausweichlich«, erklärte dessen Chef Alexander Bortnikov. Die britische Regierung sagte am deutlichsten, dass sie einen Anschlag für wahrscheinlich hält, auch US-Präsident Barack Obama erklärte, es bestehe die Möglichkeit, dass es ein Attentat gegeben habe.

Am Freitag begannen die britischen Gesellschaften unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen damit, die bis zu 20 000 britischen Touristen in der Stadt nach Hause zu bringen - und stießen dabei umgehend auf Probleme: Von 29 geplanten Flügen genehmigte Ägyptens Regierung nur acht. Die Passagiere dürfen nur mit Handgepäck reisen; für die Lagerung der zurückgelassenen Koffer gebe es aber keine Kapazitäten.

Planmäßige Flüge nach Scharm el-Scheich will derzeit keine europäische Linie mehr anbieten - eine Katastrophe für die Region. Der Tourismus ist hier extrem wichtig, hat durch die Unruhen im Sommer 2013, Bombenanschläge, die Kämpfe zwischen Militär und militanten Gruppierungen auf Sinai ohnehin stark gelitten. Auch deshalb beharrt Ägyptens Regierung darauf, dass es keine Bombe gewesen sei; ein Bekennervideo der Gruppe Wilayat Sinai (Provinz Sinai) sei »Propaganda«.

Wilayat Sinai trat bis November 2014 unter dem Namen Ansar Beit al-Makdis (Unterstützer Jerusalems) auf, bevor man sich mit anderen Gruppierungen verband und dem Islamischen Staat die Treue schwor. Der Gruppe werden viele Anschläge auf Armeestützpunkte zugeschrieben; das Militär schlägt mit voller Härte zurück.

Wie instabil Ägypten tatsächlich ist, zeigt sich nirgendwo besser als auf dem Sinai. Trotz des bereits seit 2013 andauernden Militäreinsatzes dort ist die Region Basis für religiös, politisch oder finanziell motivierte bewaffnete Gruppen geworden, die auch die Schmuggelrouten für Waffen, Drogen und Menschen in den Gaza-Streifen und nach Israel sicherstellen. Dutzende solcher Gruppen gibt es; ihre Zahl, ihre Ausrichtung, die Allianzen ändern sich ständig.

Vor allem Wilayat Sinai geht im Kampf gegen das Militär mit Präzision vor. Anschläge und Angriffe sind oft genau aufeinander abgestimmt; Bewaffnung und eingesetzte Sprengstoffe hochmodern - zu modern, zu teuer, um sie sich allein beschaffen zu können, wie ägyptische Regierungsvertreter immer wieder betonen. In Kairo gibt man deshalb überzeugt, dass nicht nur die Muslimbruderschaft, sondern auch Wilayat Sinai von ausländischen Regierungen unterstützt wird.

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