Und plötzlich brennt ein Bus
In Neuhardenberg verübten Rechte einen Anschlag gegen Flüchtlingshelfer. Die wollen ihr Engagement nicht aufgeben
Berlin. Wo der brennende Bulli stand, sind die Steine noch immer schwarz. Die Nadeln der Tannen sind braun bis in die Höhe, der Lavendelstrauch an der Einfahrt: farblos vom Feuer. Die ehrenamtliche Flüchtlingshelferin kann immer noch nicht fassen, dass Unbekannte vor gut einem Monat mitten in der Nacht ihren ausgebauten Bus anzündeten. Direkt neben ihrem Haus in dem 2000-Einwohner-Dorf Neuhardenberg in Brandenburg. Hinter der Brandstiftung vermutet auch das Innenministerium ein politisches Motiv.
»Ich hörte irgendwas und dann wurd's hell«, sagt Hannah Herzog, die ihren wirklichen Namen nicht nennen mag. »Ich weckte meinen Mann und sagte, irgendwas ist komisch. Dann brannte der Bus lichterloh.« Was von dem Wagen übrig blieb, mit dem das Ehepaar noch zwei Tage vor dem Brand im Urlaub war, zeigen Fotos: der Motorraum ausgebrannt, der Lack vom Feuer zerfressen. »Das war ein schwarzer Tag«, sagt Herzog. »Als die Schrottfirma ihn abholte, war es einfach traurig. Es war, als wäre eine Leiche abtransportiert worden.«
Das Bundesinnenministerium sieht einen Trend: Es beobachtet mehr Straftaten gegen Flüchtlingshelfer. Es liegen zwar keine Fallzahlen zu solchen Delikten vor, wie eine Sprecherin auf Anfrage mitteilt. Aber Bedrohungen, Beleidigungen, Körperverletzungsdelikte und Sachbeschädigungen im Zusammenhang mit der Asylthematik nehmen zu. Kürzlich berichtete die »Süddeutsche Zeitung« über einen Bielefelder Fotografen, der eine Morddrohung in seinem Briefkasten fand, weil er mit Fotokalendern Geld für Flüchtlinge sammelt.
Das Beispiel Brandenburg zeigt: In den Jahren 2010 bis 2013 wurden dem Landeskriminalamt keine, 2014 zwei Straftaten gegen Flüchtlingshelfer gemeldet. In diesem Jahr waren es bis Ende September 2015 bereits 16. »Das ist auch ein Ausdruck dafür, dass die rechte Szene die steigenden Asylbewerberzahlen für ihre Propaganda instrumentalisiert und dabei im Zweifel auch vor Gewaltanwendung nicht zurückschreckt«, sagt ein Sprecherin des Innenministeriums. Die Polizei ermittele intensiv und führe Sicherheitsgespräche mit Betroffenen - vereinzelt würden Schutzmaßnahmen angeordnet.
Dass sich die Gewalt mittlerweile nicht mehr ausschließlich gegen Flüchtlinge, sondern auch gegen ihre Unterstützer richtet, hat zuletzt der Messerangriff auf die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker gezeigt. Auch Polizisten oder Mitarbeiter von Hilfsorganisationen gerieten bereits zwischen die Fronten.
Und plötzlich trifft es auch Ehrenamtliche. »Vielleicht waren wir zu naiv«, sagt Herzog. Das Ehepaar aus Baden-Württemberg zog vor drei Jahren nach Neuhardenberg, baute sich dort ein Idyll auf. Das Wohnhaus steht schräg gegenüber von Plattenbauten in Pentagon-Form, in denen mittlerweile mehr als 300 Flüchtlinge wohnen. Die Herzogs knüpften Kontakte in der Nachbarschaft, sind seit 2013 Teil der Flüchtlingsinitiative »Willkommenskreis«. Mittlerweile machten sie »alles, alles, alles« für die Flüchtlinge, das sei zeitweise anstrengend, aber auch sehr erfüllend. »Ich könnt's mir gar nicht mehr anders denken«, sagt Herzog.
Angefeindet wurde das Ehepaar wegen seines Engagements nicht. Doch bei einer Benefizveranstaltung tauchten plötzlich ganz in schwarz gekleidete junge Männer auf, die sonst vor allem vor dem Supermarkt im Ort rumhängen. Sie notierten die Nummernschilder der Besucher des Konzerts. Das fiel ihnen auf. Aber dass jemand ihren Bus in Brand stecken würde, das konnten sich die Eheleute Herzog nicht vorstellen.
Hannah Herzog fragt sich, welche Botschaft hinter dem Anschlag steckt. »Die Unterstützung der Flüchtlinge will ich auf keinen Fall aufgeben«, betont sie. Doch der Vorfall hat sie verändert. »Man guckt anders, man ist misstrauischer, das ist schade, eigentlich bin ich nicht sehr ängstlich.« Und der Fall zeigt, wie schwierig es ist, solche Taten aufzuklären - aus »ermittlungstaktischen Gründen« wollte das Innenministerium keine Details zum Stand der Ermittlungen nennen.
Die eigene Verwundbarkeit macht das Ehepaar aber noch stärker zu Verbündeten mit den Schutzsuchenden: Hannah Herzog sei schockiert und beeindruckt zugleich gewesen, wie sensibel die Flüchtlinge nach dem Brand reagiert hätten. »Das ist passiert, weil ihr uns helft«, habe einer der sieben, acht Flüchtlinge gesagt, die nach dem Anschlag zu den beiden kamen. »Wir teilen die Ohnmacht mit den Flüchtlingen: Wir haben zwar keine Fluchtgeschichte, aber von der emotionalen Seite sitzen wir im gleichen Boot.« dpa/nd
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