Als Conrad Röntgen in Würzburg zufällig Geschichte schrieb

120 Jahre nach der großen Entdeckung ihres Professors veranstaltet die fränkische Universitätsstadt ein Jubiläumsprogramm

  • Christiane Gläser, Würzburg
  • Lesedauer: 4 Min.
Vor 120 Jahren hat Wilhelm Conrad Röntgen in Würzburg die später nach ihm benannten Strahlen entdeckt. Derzeit sind in der fränkischen Stadt zahlreiche Veranstaltungen dazu geplant.

Eigentlich wollte der kauzige Professor in seinem Labor an der Universität Würzburg (Bayern) nur kurz die schönen Lichterscheinungen eines längst bekannten Physik-Experimentes mit Kathodenröhren bewundern. Doch zufällig stellt Wilhelm Conrad Röntgen (1845-1923) dabei fest, dass in einiger Entfernung zu seinem Versuchsaufbau ein weiteres Glas strahlt - Kathodenstrahlung reicht jedoch eigentlich nicht so weit. Röntgen hält schwarzes Papier dazwischen, das Glas strahlt weiter. Ein Brettchen - die Strahlung bleibt sichtbar.

Im Grunde war dies der erste dokumentierte Strahlungsunfall. »Seine wissenschaftliche Leistung war, das als ungewöhnlich zu erkennen und daran weiterzuforschen«, sagt Roland Weigand. Er ist Mitglied des Röntgen-Kuratoriums in Würzburg. Der Verein hat die berühmte Wirkungsstätte des Physikers mit Originaleinrichtung und -geräten wieder entstehen lassen. Am vergangenen Sonntag jährte sich die bahnbrechende Entdeckung Röntgens zum 120. Mal. Bis in den Februar 2016 hinein sind in der Universitätsstadt Jubiläumsveranstaltungen geplant. Dazu gehören Vorträge, Ausstellungen und Führungen.

Nach jenem Abend 1895 soll sich Röntgen sechs Wochen lang in seinem Labor eingeschlossen haben, um weiter zu experimentieren - obwohl sich seine Wohnung direkt über den Arbeitsräumen befand. Er fand heraus, dass die bislang unbekannte Strahlung durch fast alles dringt, und nannte sie X-Strahlen. Das wohl erste Röntgenbild eines menschlichen Körperteils war die Aufnahme der Hand seiner Frau vom 22. Dezember 1895. In den Monaten danach stand die Fachwelt Kopf. Ein Kollege schlug vor, die Strahlen nach seinem Entdecker zu benennen, der Kaiser persönlich ließ sich alles vorführen und verlieh Röntgen den höchsten deutschen Orden. 1901 bekam er den erstmals vergebenen Physik-Nobelpreis.

Die Entdeckung der X-Strahlen revolutionierte das Krankenhauswesen. Mit Röntgen-Geräten waren Diagnosen auf einmal blitzschnell und zuverlässig möglich. »Man muss einfach anerkennen, dass die meisten Diagnosen nach dem Einsatz von bildgebenden Verfahren wie Röntgen gestellt werden«, sagt Radiologe und Nuklearmediziner Helmut Altland. Er ist der Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Radiologen. Die Röntgenstrahlen seien nach wie vor wichtig in der Medizin. »Aber wir ergänzen sie auch durch modernere Techniken, wie die strahlungsarme Computertomographie oder die strahlenersetzende Kernspintomographie«, sagt Altland. Hinzu komme, dass Röntgenstrahlen heute auch bei Therapie angewendet werden. So könnten unter Röntgenkontrolle etwa Laserstrahlen gegen Tumore an die richtige Position gebracht werden.

Auch in der Industrie sind Röntgengeräte unabdingbar. In der Lebensmittel-Industrie helfen sie beispielsweise Verunreinigungen zu finden und Befüllungen zu kontrollieren. In der Sicherheitstechnik durchleuchten sie Gepäckstücke, in Maschinenhallen prüfen sie Werkstoffe auf Risse. Und Archäologen untersuchen mit Hilfe der X-Strahlen Fossilien und Gesteine.

Conrad Röntgen ist weltweit berühmt. Die Gedächtnisstätte in Würzburg ist dennoch eher unscheinbar. In einem Gebäude der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt unterhält der Verein »Röntgen-Kuratorium Würzburg« das ehemalige Labor des Forschers. Dort können sogar die Original-Versuche vorgeführt werden. Eine Inschrift an der Hauswand, ein Film, Schautafeln, Urkunden und Geräte im Gebäude - wer die Stätte nicht explizit sucht, wird an dem historisch so wertvollen Ort schlicht vorbeilaufen. Wer ihn dennoch findet, kann das Mini-Museum kostenlos besuchen. »Wir bieten aber auch Führungen. Rund 60 Anmeldungen haben wir pro Jahr«, sagt Weigand vom Kuratorium.

Diese Bescheidenheit passt zu Röntgens Art. Er hat aus der Entdeckung nie Profit schlagen wollen, meldete absichtlich keine Patente darauf an. Ihm war das Wohl der Menschen wichtiger. Seinen kompletten schriftlichen Nachlass ließ er verbrennen. Von Röntgens wissenschaftlichem Werk sind deshalb nur offizielle Veröffentlichungen erhalten. »Medizingerätehersteller, Röhrenhersteller, Radiologen - sie alle verdienten Geld mit den X-Strahlen, nur der Entdecker selbst nicht«, sagt Weigand.

Röntgen stirbt 1923 mit 77 Jahren an Darmkrebs. Auf seine Arbeit mit den für den menschlichen Körper schädlichen Röntgenstrahlen ist das Weigand zufolge nicht zurückzuführen. »Er befasste sich nur einen relativ kurzen Zeitraum mit diesen Strahlen, und die Strahlen selbst waren noch nicht so energiereich.« dpa/nd

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