Im gleichen Boot mit Flüchtlingen

Der Brandanschlag auf ihren Kleinbus hat ein Ehepaar ehrenamtlicher Helfer verändert

  • Lena Klimkeit
  • Lesedauer: 4 Min.
Zwischen 2010 und 2013 registrierte das Landeskriminalamt keine einzige Straftat gegen Flüchtlingshelfer. 2015 sind es bis September schon 16 Delikte gewesen.

Wo der brennende Bulli stand, sind die Steine noch immer schwarz. Die Nadeln der Tannen sind braun bis in die Höhe, der Lavendelstrauch an der Einfahrt: farblos vom Feuer. Die ehrenamtliche Flüchtlingshelferin kann immer noch nicht fassen, dass Unbekannte vor gut einem Monat mitten in der Nacht ihren ausgebauten Bus anzündeten. Direkt neben ihrem Haus in dem 2000 Einwohner zählenden Dorf Neuhardenberg. Hinter der Brandstiftung vermutet auch das Innenministerium ein politisches Motiv.

»Ich hörte irgendwas und dann wurd's hell«, sagt die Frau, die ihren Namen nicht nennen möchte. »Ich weckte meinen Mann und sagte, irgendwas ist komisch. Dann brannte der Bus lichterloh.« Was von dem Wagen übrig blieb, mit dem das Ehepaar noch zwei Tage vor dem Brand im Urlaub war, zeigen Fotos: der Motorraum ausgebrannt, der Lack vom Feuer zerfressen. »Das war ein schwarzer Tag«, sagt die Frau. »Als die Schrottfirma ihn abholte, war es einfach traurig. Es war, als wäre eine Leiche abtransportiert worden.« Das Bundesinnenministerium sieht einen Trend: Es beobachtet mehr Straftaten gegen Flüchtlingshelfer. Es liegen zwar keine Fallzahlen zu solchen Delikten vor, wie eine Sprecherin auf Anfrage mitteilt. Aber Bedrohungen, Beleidigungen, Körperverletzungsdelikte und Sachbeschädigungen im Zusammenhang mit der Asylthematik nehmen zu. Kürzlich berichtete die »Süddeutsche Zeitung« über einen Bielefelder Fotografen, der eine Morddrohung in seinem Briefkasten fand, weil er mit Fotokalendern Geld für Flüchtlinge sammelt.

Das Beispiel Brandenburg zeigt: In den Jahren 2010 bis 2013 wurden dem Landeskriminalamt keine, 2014 zwei Straftaten gegen Flüchtlingshelfer gemeldet. In diesem Jahr waren es bis Ende September 2015 bereits 16. »Das ist auch ein Ausdruck dafür, dass die rechte Szene die steigenden Asylbewerberzahlen für ihre Propaganda instrumentalisiert und dabei im Zweifel auch vor Gewaltanwendung nicht zurückschreckt«, sagt eine Sprecherin des Innenministeriums. Die Polizei ermittele intensiv und führe Sicherheitsgespräche mit Betroffenen. Vereinzelt werden Schutzmaßnahmen angeordnet.

Dass sich die Gewalt mittlerweile nicht mehr ausschließlich gegen Flüchtlinge, sondern auch gegen ihre Unterstützer richtet, hat zuletzt der Messerangriff auf die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker gezeigt. Auch Polizisten oder Mitarbeiter von Hilfsorganisationen gerieten bereits zwischen die Fronten.

Plötzlich trifft es auch Ehrenamtliche. »Vielleicht waren wir zu naiv«, sagt die Frau aus Neuhardenberg. Das Ehepaar aus Baden-Württemberg zog vor drei Jahren hier her, baute sich ein Idyll auf. Das Wohnhaus steht schräg gegenüber von Wohnblocks in Plattenbauweise, die in der Form eines Pentagons angeordnet sind. Die Einheimischen sprechen bei diesem Wohngebiet schon immer vom Pentagon. Mittlerweile wohnen dort mehr als 300 Flüchtlinge. Die Eheleute von gegenüber knüpften Kontakte in der Nachbarschaft, sind seit 2013 Teil des Vereins Willkommenskreis Neuhardenberg. Mittlerweile machen sie »alles, alles, alles« für die Flüchtlinge, sagt die Frau. Das sei zeitweise anstrengend, aber auch sehr erfüllend. »Ich könnt's mir gar nicht mehr anders denken.«

Angefeindet wurde das Ehepaar wegen seines Engagements nicht. Doch bei einer Benefizveranstaltung tauchten plötzlich ganz in Schwarz gekleidete junge Männer auf, die sonst vor allem vor dem Supermarkt im Ort rumhängen. Sie notierten die Nummernschilder der Besucher des Konzerts. Das fiel den Eheleuten auf. Aber dass jemand ihren Bus in Brand stecken würde, das konnten sie sich nicht vorstellen.

Die Frau fragt sich, welche Botschaft hinter dem Anschlag steckt. »Die Unterstützung der Flüchtlinge will ich auf keinen Fall aufgeben«, betont sie. Doch der Vorfall hat sie verändert. »Man guckt anders, man ist misstrauischer, das ist schade, eigentlich bin ich nicht sehr ängstlich.« Der Fall zeigt, wie schwierig es ist, solche Taten aufzuklären. Man hatte gedacht, dass sich in so einem kleinen Ort schnell herumspricht, wer es gewesen ist. Aus »ermittlungstaktischen Gründen« wollte das Innenministerium keine Details zum Stand der Ermittlungen nennen.

Die eigene Verwundbarkeit macht das Ehepaar noch stärker zu Verbündeten mit den Flüchtlingen. Die Frau ist schockiert und beeindruckt zugleich gewesen, wie sensibel die Flüchtlinge nach dem Brand reagierten. »Das ist passiert, weil ihr uns helft«, habe einer der sieben, acht Flüchtlinge gesagt, die nach dem Anschlag zu den beiden gekommen sind. »Wir teilen die Ohnmacht mit den Flüchtlingen. Wir haben zwar keine Fluchtgeschichte, aber von der emotionalen Seite sitzen wir im gleichen Boot.« dpa

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