»Patrioten« auf den Straßen Polens
Rechtsnationalistische Märsche im ganzen Land / Grußadresse des Staatspräsidenten
Die zu Ehren des 97. Jahrestages der Wiederkehr von Polens Unabhängigkeit 1918 organisierte politisch-militärische Zeremonie vor dem Grab des Unbekannten Soldaten auf dem Warschauer Piłsudski-Platz war in diesem Jahr nur ein Präludium: Für die in der Hauptstadt wie landesweit veranstalteten Märsche der »Patrioten«. Unter der Parole »Polen für Polen« demonstrierten Zigtausende Nationalisten ihren Willen, »ein neues Polen« aufzubauen.
In Warschau sollen es 100 000 gewesen sein, die in einem dreistündigen Marsch auf die Wiesen vor dem Nationalstadion auf dem rechten Weichsel-Ufer zogen und dort in einer Kundgebung schworen, dem Ruf von Jarosław Kaczyński zu folgen, ein »freies und unabhängiges Polen zu bauen«. Kaczyński ist Vorsitzender der nationalkonservativen Partei PiS.
Der erste Redner, ein Geistlicher namens Jacek Międlar, gab die Parole aus: Kein islamisches, kein gottloses Polen, sondern »ein großes, heldenhaftes und katholisches«. Dem im Koran verkündeten Hass müsse man mit Stärke begegnen. Noch schärfer trat einer der Führer des »National-Radikalen Lagers« (ONR), Tomasz Dorosz, auf. Die schon in der Vorkriegszeit gefürchtete »schlagende« Vereinigung von Verehrern des Nationalisten Roman Dmowski (1864-1939), die damals von Piłsudskis Anhängern nicht geduldete Meute von Faschisten und Antisemiten, bildet in der rechten Bewegung NOK (Nationaler Aufbau) den derzeit radikalsten Aufguss antidemokratischer Tradition. Dorosz, so wie am selben Tag Kaczyński in Kraków, will das »Neue Polen« von Brüssel unabhängig machen. Ein Vertreter der rechtsextremen ungarischen Jobbik-Partei, Laszlo Toroczka, bezeichnete die Visegrád-Gruppe (Ungarn, Tschechien, Slowakei und Polen) als »Bastion zur Verteidigung Europas« - so wie vor 500 Jahren.
In Berichten und Kommentaren etlicher Fernsehstationen am Mittwoch wurde der Verlauf der Märsche als sehr ruhig bezeichnet. Es habe ja keine größeren Krawalle gegeben. Dabei wurde darauf verwiesen, dass Staatspräsident Andrzej Duda an die Organisatoren der Demos ein persönliches Schreiben geschickt habe, in dem es hieß, er freue sich, dass »die Bürger eines freien Polens mit steigender Freude an patriotischen Feierlichkeiten teilnehmen und die Helden der glorreichen polnischen Geschichte ehren«.
Polen erlebt im diesjährigen November Umbruchzeiten. Die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), konkreter: Jarosław Kaczyński, verfügt nun über alle Machtinstrumente. Staatschef, Regierung, beide Parlamentskammern und deren Präsidenten sind ihm hörig. Nur die Gerichte bleiben derweil eine eigene Macht. Da will er aber auch noch Ordnung schaffen.
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