Taliban-Führer droht mit Gewalt

Afghanistan: Radikale Islamisten gewinnen an Boden / Loya Jirga geplant

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: ca. 2.0 Min.

Taliban-Führer Mullah Omar hat eine neue Welle von Anschlägen angekündigt. Damit sollen USA- und NATO-Truppen vertrieben werden.

Der Taliban-Führer hatte mit einer neuen »Eskalation der Gewalt auf überraschendem Niveau« nach dem muslimischen Fastenmonat Ramadan, der am Sonntag zu Ende ging, gedroht. In dem auch von CNN verbreiteten Aufruf Omars, der wie Al-Qaida-Chef Osama bin Laden von den internationalen Truppen seit dem Ende der Kämpfe um Tora Bora, der einstigen Hochburg der Islamisten, im Dezember 2001 gesucht wird, heißt es, ähnlichen Warnungen in der Vergangenheit seien stets Taten gefolgt. USA- und NATO-Einheiten sollten daher Afghanistan schnellstens verlassen. Zuvor hatten die Taliban gedroht, den entführten italienischen Fotokorrespondenten Gabriele Torsello zu töten, wenn Italien bis Ende des Ramadan nicht den afghanischen Konvertiten Abdul Rahman ausliefert. Wegen des Übertritts zum Christentum machte das Oberste Gericht in Kabul letzterem zu Jahresbeginn den Prozess. Von der Todesstrafe, wie sie die Scharia für abtrünnige Muslime vorsieht, bedroht, wurde Rahman nach Protesten der internationalen Öffentlichkeit im März ins italienische Exil ausgeflogen. Anfang Oktober waren bereits zwei freie Mitarbeiter der Deutschen Welle in Nordafghanistan ermordet worden. Insgesamt starben allein in diesem Jahr über 4000 Menschen bei Auseinandersetzungen mit den wieder erstarkenden Taliban. Unter den Opfern sind neben afghanischen Mitarbeitern westlicher Hilfsorganisationen auch zunehmend Soldaten der USA-geführten »Antiterroreinheiten« und der NATO-Truppe ISAF, an der auch die Bundeswehr mit 2700 Mann beteiligt ist. Die Taliban gehören fast ausschließlichen zum Volk der Paschtunen, das auf beiden Seiten der afghanisch-pakistanischen Grenze lebt. Afghanistans Präsident Hamid Karsai, ebenfalls Paschtune, will die ausufernde Gewalt der Radikal-Islamisten nun durch eine Loya Jirga - eine Große Ratsversammlung - stoppen, an der neben Stammesführern auch paschtunische Geistliche und Intellektuelle aus beiden Staaten teilnehmen sollen. Die Jirga soll noch dieses Jahr zusammentreten. Darauf verständigte sich Karsai Ende September mit seinem pakistanischen Amtskollegen Pervez Musharraf (auch er ist Paschtune) und dem USA-Präsidenten George Bush bei einem gemeinsamen Abendessen im Weißen Haus. Unmittelbarer Anlass der Initiative war ein Deal der pakistanischen Armee und des Geheimdienstes ISI - beide werden von ethnischen Paschtunen kontrolliert - mit den Taliban. Er erlaubte den Islamisten, Stützpunkte in den pakistanischen Paschtunengebieten für Überfälle auf Afghanistan zu nutzen. Dass Karsai, der bisher zumindest nach außen den Vertreter aller Afghanen gab, nun offen auf die paschtunische Karte setzt, zeigt, wie eng sein ohnehin begrenzter Spielraum inzwischen geworden ist. Und damit zwangsläufig auch der seiner westlichen Paten. Zudem gefährdet der Schulterschluss der Paschtunen selbst die kümmerlichen Erfolge bei der nationalen Aussöhnung in Afghanistan. Letztlich könnten damit auch radikale Ideen verbreitet und die erneute »Talibanisierung« der Gesellschaft forciert werden. Vertreter anderer Ethnien, vor allem die Tadshiken als zweitgrößte Volksgruppe - allein sie leisteten militärischen Widerstand gegen die Taliban - lehnten eine Paschtunen-Jirga daher ab. Sie fordern statt dessen häufigere Treffen von Parlamentariern beider Seiten. Das aber kommt für Hamid Karsai nicht in Frage: Im afghanischen Parlament haben Nicht...

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