Müller verurteilt Terror und Rechtspopulisten
SPD-Landesparteitag bekräftigt Kritik am Koalitionspartner CDU / Flüchtlingspolitik bleibt zentrales Thema
Die vorgeschriebenen Reden mussten an diesem Samstag in der Tasche bleiben. »Wir sind in Gedanken bei den Menschen in Paris«, sagte Jan Stöß zu Beginn des SPD-Landesparteitages. Der Parteichef warnte davor, nun Verbindungen zwischen den Anschlägen und Flüchtlingen herzustellen. »Allen, die versuchen, diese Anschläge für ihre parteipolitischen oder rechten Interessen zu instrumentalisieren, werden wir klar entgegentreten«, so Stöß. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller warnte davor, die Terroranschläge für rechtspopulistische Zwecke zu missbrauchen. Man müsse sich wegen der Flüchtlinge keine besonderen Sicherheitssorgen machen. »Die jetzt ankommenden Menschen flüchten ja genau vor diesen Terroristen.«
Müllers Worte gegenüber dem Koalitionspartner CDU fielen deshalb nicht milder aus. Im Gegenteil. Müller wiederholte die Vorwürfe aus seiner Regierungserklärung vom Donnerstag und legte in Richtung Sozialsenator Mario Czaja und Innensenator Frank Henkel (beide CDU) noch einmal nach. Schnelle Abschiebungen seien kein Allheilmittel. »Soll Herr Henkel doch die Abschiebungen verfünffachen, aber dann bleiben noch immer über 14 000 geflüchtete Menschen in unserer Stadt.« Der Innensenator schiebe die Verantwortung für das Flüchtlingsmanagement auf den Bürgermeister und den Staatssekretär im Krisenstab Dieter Glietsch. Müller stellte klar: »Jeder Senator muss Verantwortung übernehmen.«
Von den Delegierten bekam er für die Seitenhiebe stehende Ovationen. Die Parteikollegen folgten Müllers Worten. Auch Jan Stöß ließ kein gutes Haar am Koalitionspartner: »Der zänkische Ton aus der CDU wirkt in diesen Zeiten unangemessen und peinlich.« Über ein vorzeitiges Ende der Koalition möchte aber niemand spekulieren. »Wir haben eine gemeinsame Verantwortung. Und wie Müller gesagt hat, jeder muss seine Verantwortung wahrnehmen«, so Bildungssenatorin Sandra Scheeres. Neuwahlen sehe sie derzeit nicht. Auch Fraktionschef Raed Saleh sieht »keine Zeit für solche Auseinandersetzungen«.
Dennoch: Die gemeinsamen Projekte der Koalition sind abgearbeitet. Allesamt Erfolge, wie die Genossen finden. Aber eher trotz als wegen der Mithilfe des Koalitionspartners. Die Verhandlungen mit dem Mietenvolksentscheid habe die SPD vorangetrieben, so Stadtentwicklungssenator Geisel. »Das Wohnraumversorgungsgesetz ist nicht nur ein Kompromiss, sondern eine gute Lösung für die Berliner.« Auch die anteiligen Rückkäufe von Strom- und Gasnetz werden als Erfolg gegenüber der CDU verkauft.
Bis zur Abgeordnetenhauswahl bleibt ein zentrales Thema auf der Tagesordnung: die Flüchtlinge. Aber ob die Koalition noch die vom Regierenden Bürgermeister geforderte gemeinsame Linie findet, ist fraglich. Der Zeitpunkt für Müllers Abrechnung mit der CDU ist klug gewählt. Die SPD liegt in den Umfragen weit vorn. Man habe ihn gefragt, ob die scharfe Kritik an der CDU nun Taktik oder Wahlkampf sei, so Müller. »Manche Themen eignen sich nicht für parteipolitische Spielchen. Es geht hier nicht um irgendein Flüchtlingsthema, sondern um Menschen.« Aber er stimmte die Genossen auch auf einen selbstbewussten Wahlkampf ein: »Ich will gewinnen, und ich will regieren.« Müllers Erfolgsrezept: »Wir müssen offen und ehrlich sagen, was geht und was nicht geht.«
Diese Worte bestimmten auch die Debatte um die Resolution für eine humane Flüchtlingspolitik, die von den Delegierten beschlossen wurde. Die Jusos plädierten dafür, in der Resolution keine Forderung zu Abschiebungen aufzunehmen, sich außerdem gegen sichere Herkunftsstaaten zu positionieren und die Abschiebehaft abzuschaffen. Mit diesen Vorschlägen stießen sie auf wenig Gegenliebe. Stöß verwies auf die Einigungen auf Bundesebene und sagte: »Es wäre ein falsches Signal, wenn die Berliner SPD dies jetzt ablehne.«
Dass die Parteimitglieder wohl um einiges konservativer sind, mussten die Jusos auch mit dem Ergebnis der Mitgliederbefragung feststellen. Wahlalter 16, die Legalisierung von Cannabis - all diese Themen werden im Wahlkampf der SPD keine Rolle spielen.
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