UN-Sondergesandter: Frieden in Syrien bis Mitte 2017 möglich
33 Tote bei Luftangriffen auf syrische IS-Hochburg Rakka / »Spiegel Online«: Bundesregierung schließt Bundeswehreinsatz in Syrien nicht aus / Obama nennt Russland »konstruktiven Partner« in Syrien-Gesprächen
Update 18.50 Uhr: Russland zerstört nach eigenen Angaben 500 Tanklaster des IS
Mit Marschflugkörpern und Langstreckenbombern hat Russland erneut Ziele in Syrien attackiert. General Andrej Kartapolow vom russischen Generalstab sprach von »massiven Angriffen gegen die Terrororganisation Islamischer Staat« (IS). Dabei seien Waffen sowie Kommandostellen und Munitionslager des IS zerstört worden, sagte er nach Angaben Moskauer Agenturen am Mittwoch. Bei den jüngsten Angriffen seien auch etwa 500 Tanklaster zerstört worden, sagte General Kartapolow. Der IS habe die Fahrzeuge benutzt, um illegal Treibstoff über die irakische Grenze zu bringen.
Die syrische Botschaft in Russland kündigte für nächste Woche einen Besuch des syrischen Außenministers Walid al-Muallem in Moskau an. Der Chefdiplomat wolle mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow über eine politische Lösung des Konflikts im Bürgerkriegsland beraten, hieß es.
Update 13.30 Uhr: UN-Sondergesandter: Frieden in Syrien bis Mitte 2017 möglich
Die Anschläge in Paris und die gestiegene terroristische Bedrohung in Europa werden laut dem UN-Sondergesandten für Syrien den Verhandlungen für das Bürgerkriegsland einen Schub geben. Die Gewalt mache allen beteiligten Regierungen unmissverständlich klar, dass eine umfassende politische Lösung für Syrien gefunden werden müsse, sagte der Gesandte Staffan de Mistura gegenüber der Nachrichtenagentur epd in Genf. Innerhalb der für die Verhandlungen vorgesehenen 18 Monate könne der Plan für eine umfassende und stabile politische Lösung in Syrien verwirklicht werden.
Alle Parteien hätten in der Zwischenzeit gezeigt, dass sie den fast fünf Jahre dauernden Konflikt nicht gewinnen könnten, so de Mistura weiter. Die Opferzahl sei enorm gestiegen. Es gebe fast 250.000 Tote und mehr als eine Million Verletzte. Hunderttausende Syrer flüchteten nach Europa, Russland habe sich militärisch eingeschaltet und jetzt bedrohe der »Islamische Staat« nicht nur Syrien sondern auch viele andere Länder. Diese Entwicklungen würden die Verhandlungen beschleunigen, betonte de Mistura.
Auch die Intensivierung der internationalen Militäroperationen in Syrien könnten die Gespräche nicht behindern. »Nein, das glaube ich nicht«, sagte der UN-Diplomat. Der Kampf gegen die Terrormiliz IS (Daesch) in Syrien sei unabhängig von dem Verhandlungsprozess für eine politische Lösung. Letztlich müsse eine neue syrische Regierung mit internationaler militärischer Unterstützung IS bekämpfen.
Update 13.05 Uhr: »Spiegel Online«: Bundesregierung schließt Bundeswehreinsatz in Syrien nicht aus
Nach Informationen von »Spiegel Online« schließt die Bundesregierung einen Einsatz der Bundeswehr in Syrien nicht mehr aus. Voraussetzung dafür sei aber ein Beschluss des UN-Sicherheitsrates, heißt es laut dem Online-Portal aus Regierungskreisen.
Update 10.15 Uhr: 33 Tote bei Luftangriffen auf syrische IS-Hochburg Rakka
Bei Luftangriffen französischer Jets und Flugzeugen anderer Nationen auf die nordsyrische IS-Hochburg Rakka sind in den vergangenen drei Tagen mindestens 33 Extremisten getötet worden. Zudem gebe es Informationen über weitere Opfer, erklärte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Mittwoch. Dutzende Familien hochrangiger IS-Anführer seien wegen der Angriffe aus Al-Rakka gebracht worden. Sie sollen laut Aktivisten auf dem Weg in die nordirakische IS-Hochburg Mossul sein.
Frankreichs Luftwaffe hatte nach der Terrorserie in Paris in den vergangenen Tagen massive Luftangriffe auf Stellungen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Al-Rakka und im Umland der Stadt geflogen. Die Jets bombardierten unter anderem Kommandozentralen, Waffenlager und ein Ausbildungszentrum der Dschihadisten.
Update 9.55 Uhr: Ex-Generalinspekteur: Bundeswehr könnte in Mali führende Rolle übernehmen
Nach Einschätzung von Ex-Bundeswehr-Generalinspekteur Harald Kujat könnte Deutschland Frankreich mit einem größeren Engagement in Mali entlasten. Die Bundeswehr könne in Mali eine führende Rolle übernehmen, sagte Kujat der in Düsseldorf erscheinenden »Rheinischen Post« (Mittwochsausgabe): »Das wäre zwar eine ziemliche Herausforderung, doch das könnten wir sicherlich wuppen, auch wenn die Soldaten noch in Afghanistan, in anderen Missionen und in der Flüchtlingsthematik im Einsatz sind.«
Eine weitere Hilfe bestünde in einer größeren Unterstützung für kurdische Kämpfer. »Wenn wir etwa die Ausbildung der Peschmerga im Nordirak ausbauen, könnten wir mit relativ geringem Aufwand eine Menge erreichen«, sagte Kujat. Die Peschmerga seien schließlich durchaus erfolgreich im Kampf gegen den »Islamischen Staat« (IS).
Nach den Terroranschlägen von Paris am Freitagabend hat die französische Regierung um EU-Beistand gebeten. Die Partnerländer sind danach laut Lissabonner Vertrag zu umfassender Hilfe »im Falle eines bewaffneten Angriffs« auf eines der Mitgliedsländer verpflichtet. Konkrete Forderungen aus Frankreich wurden bisher nicht bekannt.
Kerry: Türkei will Grenze zu Syrien komplett schließen
In Zusammenarbeit mit den USA will die Türkei nun auch die rund 100 verbleibenden Kilometer der Grenze zum Nachbarland Syrien schließen. Das kündigte US-Außenminister John Kerry im TV-Sender CNN an. »Die gesamte nördliche Grenze Syriens - 75 Prozent davon sind nun geschlossen worden. Und wir beginnen einen Einsatz mit den Türken, um die verbleibenden 98 Kilometer zu schließen«, sagte Kerry.
Bei dem vom US-Minister angesprochenen Grenzstück handelt es sich um einen Abschnitt im Nordwesten des Landes, der auf syrischer Seite unter Kontrolle der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) steht. Die Extremisten nutzen ihn als Nachschubroute. Die Linkspartei warf der türkischen Regierung mehrfach vor, nichts gegen die Erstarkung des IS durch die Einschleusung neuer Kämpfer über die Türkei zu unternehmen. Der restliche Teil der Grenze zwischen beiden Ländern steht unter Kontrolle der kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG), dem syrischen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK.
Die Kurden haben dort drei selbst verwaltete Kantone errichtet. Die Regierung in Ankara befürchtet deswegen, sie könnten in dem Gebiet einen eigenen Staat ausrufen und die Unabhängigkeitsbestrebungen der Kurden in der Türkei anheizen. Die Türkei fordert seit längerem eine Pufferzone an der Grenze. Kritiker werfen der Regierung in Ankara jedoch vor, sie wolle damit verhindern, dass die Kurden weitere Gebiete an der Grenze einnehmen. Die USA stehen einer Pufferzone ähnlich wie Flugverbotszonen skeptisch gegenüber.
Washington diskutiere derzeit mit Ankara, wie genau der Abschnitt gesichert werden soll, sagte US-Außenamtssprecher Mark Toner. Der Einsatz habe aber noch nicht begonnen. »Alles, was zur Verstärkung der Sicherheit entlang dieser Grenze getan werden kann (...), wäre eine gute Sache«, sagte Pentagonsprecher Peter Cook. Ob US-Soldaten bei der Sicherung der Grenze helfen sollen, blieb zunächst unklar.
Dem Institute for Economics and Peace (IEP) zufolge strömten seit 2011 schätzungsweise bis zu 30.000 ausländische Kämpfer aus 100 Ländern nach Irak und Syrien, um sich dem IS anzuschließen. In der ersten Hälfte dieses Jahres waren es laut IEP mehr als 7000. 21 Prozent kommen aus Europa, von denen viele über die türkische Grenze nach Syrien strömen.
Obama nennt Russland »konstruktiven Partner« in Syrien-Gesprächen
Unterdessen hat US-Präsident Barack Obama Russland für dessen Haltung während der internationalen Syrien-Konferenz in Wien gelobt. Russland sei »ein konstruktiver Partner« in Wien gewesen und habe versucht, einen »politischen Übergang« in Syrien zu erreichen, sagte Obama am Mittwoch in der philippinischen Hauptstadt Manila. Der US-Präsident verwies zwar auf die fortdauernden Meinungsverschiedenheiten über die Zukunft des syrischen Staatschefs Baschar al-Assad. In Wien hätten diese Differenzen aber nicht die Diskussionen über Möglichkeiten einer Waffenruhe behindert.
Bei der internationalen Syrien-Konferenz in Wien war am Wochenende ein Fahrplan zur Überwindung des Bürgerkriegs beschlossen worden. Danach sollen innerhalb von 18 Monaten eine Übergangsregierung gebildet und Wahlen abgehalten werden. Bis zum 1. Januar soll ein gemeinsames Treffen von Vertretern der Opposition und der Regierung in Damaskus einberufen werden.
In den vergangenen Jahren waren internationale Bemühungen für eine Lösung im Syrien-Konflikt vor allem an den Differenzen zwischen Russland und dem Westen gescheitert. Moskau hält an Assad fest, während der Westen dessen Absetzung fordert. Obama äußerte die Hoffnung, dass Russland sich in Syrien künftig stärker auf den Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) konzentriere als auf die Verteidigung Assads.
Putin hatte am Dienstag Vergeltung für den mutmaßlichen Anschlag auf einen russischen Passagierjet über der Sinai-Halbinsel im Oktober angekündigt, bei dem alle 224 Insassen getötet worden waren. Es gilt inzwischen als wahrscheinlich, dass der Absturz durch eine Bombe ausgelöst wurde, auch der russische Geheimdienst FSB stufte den Absturz am Dienstag als Anschlag ein. Der IS hatte sich zu der Tat bekannt. Am Dienstag flog die russische Luftwaffe neue Angriffe auf IS-Stellungen in Syrien. Zudem vereinbarte Putin mit Frankreichs Präsident François Hollande, in Syrien militärisch und geheimdienstlich enger zusammenzuarbeiten. Agenturen/nd
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