Mal Monster und mal Diddl-Maus
Beate Zschäpe wird in der Berichterstattung dämonisiert oder verharmlost – genauso wie einst NS-Täterinnen
»Der Teufel hat sich schick gemacht«, betitelte die »Bild«-Zeitung einen Artikel über Beate Zschäpe kurz nach Beginn des NSU-Prozesses im Mai 2013. Ein Jahr später bezeichnet sie die »Zeit« als »braune Witwe« und wieder ein Jahr darauf leitete die »taz« einen Artikel mit dem Titel »die liebe Diddel-Maus« ein. Ja, was ist sie denn nun, ein Monster oder ein Kuscheltier? Auch wenn sie angekündigt hat, ihr vier Jahre langes Schweigen zu brechen und eine Aussage zu machen, wird sie darüber wahrscheinlich keine Auskunft geben. Handelt es sich hier doch um eine gesellschaftliche Wahrnehmung der Terroristin, die sich mehr mit ihrem Erscheinungsbild und ihren Beziehungen beschäftigt, als mit ihren Taten. Charlie Kaufholds Buch »In guter Gesellschaft? Geschlecht, Schuld und Abwehr in der Berichterstattung über Beate Zschäpe« liefert dagegen aufschlussreiche Antworten.
Die Berliner Soziologin, Genderwissenschaftlerin und Mitarbeiterin des Feministischen Instituts Hamburg ist der Frage nachgegangen, welche Rolle die Kategorie Gender in der Berichterstattung spielt und wie die Pressedarstellung in den gesellschaftlichen Kontext eingebettet ist. Dafür hat sie Artikel der »taz«, der »Süddeutschen Zeitung«, der »Bild«-Zeitung und von »Spiegel-Online« aus zwei Phasen der Berichterstattung über Beate Zschäpe analysiert: im November 2011 kurz nach der Selbstenttarnung des NSU und im Mai 2013 zu Beginn des NSU-Prozesses.
Als Ergebnis hält sie fest, dass die mediale Berichterstattung über Beate Zschäpe weibliche Stereotype reproduziert: Was zählt, ist Zschäpes Frisur, ihre Kleidung, ihre Haltung, ihr Körper. Sie wird als schick und kokett beschrieben, ihre geschlechtliche Zuschreibung als Frau ist wichtiger als ihre extrem rechte Ideologie. Gleichzeitig wird sie als abweichend von der gesellschaftlichen Norm von Weiblichkeit dargestellt und somit vom Rest der Gesellschaft ausgeschlossen: Werden Frauen nach wie vor im Allgemeinen als mütterlich, fürsorglich, passiv angesehen, wird Zschäpe als »Teufel« oder »braune Witwe« bezeichnet.
Auf der anderen Seite berichtet die Presse, ihre früheren Nachbarn hätten sie als »liebes Mädel« und als »Katzen-Mama« angesehen. In den medialen Darstellungen erscheint sie häufig nur als das Liebesobjekt der Mittäter Uwe Böhnhard und Uwe Mundlos, als Hausfrau und Mitläuferin. Sie wird auf diese Weise verkindlicht, ihr wird die Mündigkeit abgesprochen, ihre Handlungen werden entpolitisiert. Die Mitangeklagten im Prozess werden dagegen hauptsächlich über ihre politische Einstellung beschrieben, ihr Äußeres kommt kaum zur Sprache.
Die negative Abgrenzung gegen Zschäpe bezeichnet Kaufhold als »Dämonisierung«, das Bild der Terroristin wird irrational verzerrt. Gleichzeitig wird sie aber auch verniedlicht, nach Kaufhold findet eine Abgrenzung durch »Bagatellisierung« statt. Doch die 40-Jährige ist kein Kind oder Kuscheltier, sie hat mutmaßlich zehn Morde und fünfzehn Raubüberfälle mitgetragen, war schon als Jugendliche gewalttätig und schmückte ihr Wohnzimmer mit Armbrust und Morgenstern. So gegensätzlich diese beiden Zuschreibungen erscheinen, dienen sie doch beide dazu, die Gesellschaft von der Auseinandersetzung mit den eigenen rassistischen Strukturen, die das jahrelange Morden des NSU begünstigten, frei zu halten.
Wie Kaufhold in ihrem Buch herausarbeitet, ist das Muster der Berichterstattung nicht neu: NS-Täterinnen werden in der Prozessberichterstattung nach Ende des Zweiten Weltkriegs sehr ähnlich dargestellt. Aus dieser Parallele zieht die Autorin den Schluss, dass die mangelnde Aufarbeitung des Nationalsozialismus eine gesellschaftliche Haltung begünstigt, die die heutige Auseinandersetzung mit (neo-)nazistischen Taten wie denen des NSU abwehrt und erschwert. Das Buch ermöglicht wichtige Einblicke in die gesellschaftliche Funktion von Geschlechterrollen. Eine etwas ausführlichere Beschreibung ihrer Wirkungsweise wäre hilfreich gewesen, um die Thesen nicht nur verständlicher zu machen, sondern auch zu stärken.
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