Distanzierung, Solidarität und Aufklärung
Muslime in Berlin sehen sich mit Bekämpfung der Radikalisierung und Vorwürfen konfrontiert
Immer öfter ergeht die Aufforderung an Muslime, sich von islamistisch motivierten Anschlägen wie jenen am Freitag letzter Woche zu distanzieren. »Warum soll man sich von etwas distanzieren, mit dem man sich nicht identifiziert?«, so die Antwort von Imam Said Arif. Der 30-Jährige, der in Toronto Theologie studiert hat, ist Imam der Moschee im Berliner Stadtteil Pankow-Heinersdorf. Allerdings, meint er, tue es weh und man fühle sich genötigt dies zu tun, wenn Taten im Namen seines Gottes begangen werden. Gerade durch die Medien seien der Islam und seine Anhänger oft unter Generalverdacht gestellt worden. Eine Sensibilisierung in den letzten Jahren habe stattgefunden, so Arif - Luft nach oben gäbe es aber noch.
Seine Glaubensgemeinschaft, die Ahmadiyya Muslim Jamaat, hat knapp 40 000 Mitglieder in Deutschland, davon 350 in Berlin. Noch keinen einzigen Fall von Radikalisierung habe es in seiner Moschee gegeben, meint Arif stolz. Der Prozess der religiösen Extremisierung finde nicht nur über soziale Netzwerke statt, sondern auch auf ganz persönlicher Ebene. Dagegen engagieren er und seine Gemeinde sich durch Aufklärungsarbeit. Die Verantwortung für die Überwachung Radikalisierter sieht der Bundesvorsitzende der Ahmadiyya-Gemeinde, Abdullah Uwe Wagishauser, aber beim Verfassungsschutz. Die Gemeinden könnten lediglich in den gemeinsamen Dialog treten und religiöse Aufklärungsarbeit betreiben. Gerade an Schulen wäre dies wichtig, so Wagishauser. Um spätere Radikalisierung zu verhindern, sei genau diese frühe Aufklärung wichtig und stelle eine Art Salafismus-Prävention dar, argumentiert der Bundesvorsitzende.
Ebenso sei die Unterbringungs- und Integrationsfrage der Flüchtlinge für die muslimischen Gemeinden ein kritisches Thema. Vor drei Monaten schon hatte der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde Deutschland den hiesigen Islamverbänden und Moscheen vorgeworfen, »keinerlei Interesse und Engagement« in der Flüchtlingshilfe aufzubringen. Deren Mitglieder leisteten zwar Arbeit, wie zum Beispiel Übersetzungstätigkeit, »in der konkreten Betreuung und ehrenamtlichen Arbeit vor Ort oder bei den Protesten gegen flüchtlingsfeindliche Aufmärsche Rechtsradikaler« seien die Islamverbände und örtliche Moscheen aber »kollektiv völlig abgetaucht«. Dazu äußerte sich Wagishauser dem »nd« gegenüber ausweichend. Natürlich übe man Selbstkritik, es sei aber in den letzten Monaten viel geschehen - außerdem biete man den Flüchtlingen ja einen Ort der Glaubensausübung.
Dass die Thematik der Flüchtlingsbedingungen und die der Radikalisierung eng verwoben sind, steht für ihn außer Frage. »Die Konsequenz der Anschläge von Paris auf die Flüchtlingssituation muss lauten: mehr Kommunikation!« Je besser die muslimischen Gemeinden untereinander vernetzt seien, desto besser könne man Integrationsarbeit und Flüchtlingshilfe sowie Extremismusbekämpfung vorantreiben. Dass Anschläge hier passieren könnten, schließt er aus. Es gebe hier keine rechtsfreien Zonen wie etwa in Belgien. Das eigentliche Problem - die Fluchtursachen - ist nach seiner Meinung ein vom Westen hausgemachtes. Ohne dessen militärisches Eingreifen und Waffenlieferungen wären viele der Konflikte nie in einem solchem Maße eskaliert.
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