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AfD kann kein Kapital aus Attentaten schlagen

Partei bringt bei Demonstrationen weniger Teilnehmer als erwartet auf die Straße / Wieder Proteste gegen rechte Aufmärsche

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 3 Min.
Die AfD versucht, die Opfer der islamistischen Gewalttaten für sich zu vereinnahmen. Nicht nur gemessen an den Teilnehmerzahlen zweier Demonstrationen gelingt das der Partei nur bedingt.

Wenige Tage nach den Terroranschlägen von Paris mit weit mehr als 100 Toten sind am Mittwochabend deutlich weniger Menschen zu AfD-Kundgebungen in Erfurt und Magdeburg gekommen als von der rechtspopulistischen Partei im Vorfeld erhofft worden waren. Nach Angaben der Polizei sowie der Forschungsgruppe durchgezaehlt.org nahmen in Erfurt bis zu 3500 Menschen an einer Kundgebung teil. In Magdeburg kamen nach Polizeiangaben etwa 1500 Menschen zu einer Demonstration. In der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt hatten die Veranstalter mit bis zu 10 000 Teilnehmern gerechnet. In Erfurt waren in den vergangenen Wochen bis zu etwa 8000 Menschen den Aufrufen der AfD gefolgt.

In beiden Städten kam es zu Protesten gegen die Aufmärsche - die allerdings ebenfalls kleiner ausfielen als in der Vergangenheit. In Erfurt waren den Angaben der Polizei zufolge etwa 500 Menschen bei den Gegenveranstaltungen auf der Straße, in Magdeburg sollen es etwa 350 gewesen sein. In beiden Städten forderten die Gegendemonstranten ein buntes und weltoffenes Deutschland und machten ihrem Unmut über die AfD-Parolen unter anderem mit Luftballons, Trillerpfeifen und Sprechchören Luft.

Angesichts der jüngsten Zahlen kann man einerseits davon ausgehen, dass es der AfD trotz aller Versuche bislang bestenfalls bedingt gelingt, aus den Terroranschlägen von Paris politisches Kapital zu schlagen - ziemlich sicher jedenfalls dann, wenn Menschen sich öffentlich gemeinsam mit AfD-Vertretern auf der Straße zeigen sollen.

Andererseits: In den - ziemlich anonymen - Umfragen zur Wählergunst in Deutschland legt die Partei seit Wochen mindestens leicht zu. Nach einer am Montag veröffentlichten INSA-Umfrage könnte die Partei mit einem Stimmenanteil von 10,5 Prozent rechnen, wenn am Sonntag Bundestagswahlen wären. Sie wäre damit drittstärkste Kraft im Parlament in Berlin. Schon bei den jüngsten Landtagswahlen war Wahlforschern aufgefallen, dass offenbar mehr Menschen die AfD wählen als sich dazu auch offen bekennen; besonders in den neuen Bundesländern - weshalb tatsächlich unklar ist, ob die Meinungsumfragen oder der Blick auf die Straße mehr über den Zuspruch für die AfD in Deutschland aussagen. Weshalb der Blick auf die INSA-Umfrage auch nicht dazu verleiten sollte, einfach davon auszugehen, dass der Terror von Paris der Partei Vorteile bringt. Nach einer am Donnerstag veröffentlichten Allensbach-Umfrage käme die AfD bei einer Bundestagswahl am Sonntag auf nur sieben Prozent der Stimmen. Sie läge damit nicht nur deutlich hinter Linken und Grünen, sondern auch kaum deutlich über dem Wert, den das Meinungsforschungsinstitut für die AfD vor Paris gemessen hatte.

SPD-Politiker, die sich im Bundestag oder den Landtagen mit Rechtspopulismus und Rechtsextremismus beschäftigen, hatten erst am Dienstag gewarnt, es gebe in den ostdeutschen Bundesländern einen besonderen Nährboden für rechtes Gedankengut. Das stehe in einem unmittelbaren Zusammenhang damit, dass sich Ostdeutsche auch heute noch mindestens gelegentlich wegen ihrer Herkunft diskriminiert fühlten, hieß es.

Wie sehr sich die AfD-Demonstrationen in Erfurt und Magdeburg allerdings nur vordergründig mit dem Terror von Paris beschäftigten und stattdessen im Kern versuchten, die Thesen zu verbreiten, die die AfD auch vor den Anschlägen immer wieder propagiert hat, zeigt ein Blick darauf, wie die Partei diese Kundgebungen auf ihren eigenen Webseiten begleitet. Dort verweist die Partei nämlich vor allem darauf, dass Thüringens AfD-Vorsitzender Björn Höcke in Erfurt und der brandenburgische AfD-Chef Alexander Gauland in Magdeburg »fünf Grundsätze« vorstellten, die alte Forderungen der Rechtspopulisten neu wiederholen. Unter anderem: Deutschland sei »nicht verhandelbar« und kein Ort für »Gesellschaftsexperimente«.

Dass Höcke in Erfurt - ob geplant oder nicht ist unklar - auch wieder mehr »Männlichkeit« für und in Deutschland forderte, bringt ihm unterdessen nicht nur im Internet jede Menge Spott ein. Die Thüringer Grünen-Abgeordnete Astrid Rothe-Beinlich beispielsweise hatte nur ein Wort als Reaktion auf diese Aussage des AfD-Politikers parat: »Mimimi!«

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