Dahin gehen, wo es brennt

In Marzahn gab es mehrere rechte Anschläge / Silvio-Meier-Bündnis ruft zur Demonstration

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 3 Min.
Aktivisten erinnerten bei einem Mahngang in Marzahn an Todesopfer rechter Gewalt. Ein Antifabündnis will am Samstag erstmals in dem Bezirk demonstrieren.

»Damals wie heute - Rassismus tötet« - unter diesem Motto versammelten sich vor kurzem rund 40 Antifaschisten in Marzahn, um zweier dort von Nazis ermordeter Vietnamesen zu gedenken. Der Mahngang wurde von den Antifagruppen »North East Antifascists« (Antifa-Nordost) sowie der »Antifa Koordination 36« organisiert. In Begleitung behelmter Polizisten fahren die Aktivisten an diesem Abend mit der Straßenbahn zu den Schauplätzen der rassistischen Morde. Es ist dunkel in den Häuserschluchten, eine Gruppe von provozierenden Rechten wird von der Polizei abgedrängt.

Die erste Kundgebung findet vor einem Einkaufszentrum am Brodowiner Ring statt. Der 29-Jährige Vietnamese Nguyên Văn Tú wurde hier 1992 von Mike L. erstochen. Văn Tú versuchte einzuschreiten, als er sah, wie eine Gruppe rechter Jugendlicher auf Vietnamesen einprügelte und ihre Verkaufsstände zerstörte. Der Täter gab gegenüber der Polizei an, mit der extrem rechten Partei »Deutsche Volksunion« (DVU) zu sympathisieren. Der Richter konnte in der Tat keine Ausländerfeindlichkeit erkennen. Die Aktivisten legen einen Blumenkranz nieder, für einige Minuten herrscht Stille.

Weiter geht es zur Marchwitzastraße, ebenfalls vor einen Supermarkt, dieser ist mit einem Hakenkreuz beschmiert. 2008 ereignete sich hier der Mord an dem Vietnamesen Nguyên Tan Dũng. Der Täter Timo W. erstach Tan Dũng, nachdem er bei der Polizei anrief und diese aufforderte, den vermeintlich illegalen Zigarettenverkäufer festzunehmen. W. bot den Beamten an, den Mann festzuhalten. Die Antwort hieß laut Polizeibericht: »Na dann tun sie das.« Als sie eintraf, lag Tan Dũng bereits blutend am Boden. Während mitgebrachte Rosen sich vor dem zweiten Kranz sammeln, überklebt ein Aktivist das Hakenkreuz mit einem Aufkleber.

Die Antifaschisten weisen in ihren Redebeiträgen daraufhin, dass sich seit 2013 die Bedrohung in Marzahn-Hellersdorf durch Rassisten verschlimmert habe. Über ein Jahr ist es her, dass im Bezirk die erste »Montagsdemo« startete. Zeitweise gingen bis zu 1000 Rassisten bei den Aufmärschen gegen neu eröffnete Flüchtlingsunterkünfte auf die Straße. »Seitdem ist das Klima im Bezirk rauer geworden«, sagt Tanja Roth vom AStA der in Marzahn gelegenen Alice-Salomon-Hochschule. »Auch wenn die Nazis mittlerweile nicht mehr die Massen auf die Straßen kriegen, der Rassismus ist nicht weniger geworden«, sagt sie.

Allein seit Beginn des Jahres zählt das »Berliner Register« im Bezirk acht Angriffe auf Unterkünfte für Geflüchtete - darunter mehrere Brandanschläge - sowie 26 Bedrohungen und körperliche Angriffe. Hierbei sind verbale Drohungen, Hass-Mails und Angriffe auf Parteibüros nicht inbegriffen. »Der Bezirk ist heute eine Wohlfühlzone für Rassisten und Nazis«, sagt Stefan Vieselksy von der Antifa-Nordost. »Die Hetze wird Tote fordern und hat dies in der Vergangenheit bereits getan.«

Seit der Wende sind in Berlin nach Angaben der Amadeu-Antonio-Stiftung zwölf Menschen durch rechte Gewalt gestorben. Einer von ihnen war Silvio Meier, ein Hausbesetzer, der 1992 von Neonazis getötet wurde. 2013 benannte der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg nach zähem Ringen eine Straße nach ihm. Für Samstag ruft das Silvio-Meier-Bündnis unter dem Motto »Stoppt die rassistischen Brandstifter« zur jährlichen antifaschistischen Mahnwache und Gedenkdemonstration auf.

Zum ersten Mal wird die Demo in diesem Jahr durch Marzahn laufen, nachdem man in den vorherigen Jahren meist in Friedrichshain blieb. »Wir müssen die sichere Innenstadt verlassen, in den Randbezirken präsent sein und dort den Rassisten Druck machen«, sagt der Bündnissprecher Peter Sternberg. »Antifaschismus heißt nach wie vor, dorthin zu gehen, wo es brennt.«

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