Das Schreiben als Trost
Kader Abdolah fand Exil in den Niederlanden und schrieb eine autobiographische Novelle
Schließlich habe ich meine Heimat und meine Toten nicht verlassen, um hier an der Lauriergracht 37 bis an mein Lebensende Kaffee zu verkaufen.« Dem hieraus folgenden Entschluss verdankt das Publikum die autobiographische Novelle des iranischen Asylanten Kader Abdolah. Nach seiner Flucht aus Persien hat es ihn in die Niederlande verschlagen, wo er es nach viel Leid geschafft hat, einen Handel als Kaffeemakler aufzuziehen und einen kleinen Kaffeeladen zu eröffnen. Das, was er außer dem Lebensende-Seufzer eigentlich machen wollte, ist schreiben. »Die Krähe« erzählt von seinem zunächst gegen den Schah, dann gegen die Ajatollahs im Iran gerichteten Leben, von seiner Flucht in die Türkei, von dem mit dem letzten Geld bezahlten Schlepper, der ihm den Weg in die Niederlande ermöglichte.
Hunderten von Schicksalsgenossen aus Dutzenden von Herkunftsländern begegnet er auf seiner Flucht, die in Amsterdam ein glückliches Ende nimmt. Das liest sich nicht nur als reflektierte Reportage über den eigenen Weg, sondern auch als eine ins Niederländische gefärbte persische Poesie: Exilliteratur, in der sich Herkunft und Ankommen glücklich die Feder reichen. Auf dem steinigen Weg hagelt es Anklagen gegen die USA. Der Autor ist nach seinen eigenen Angaben im Jahre 1953 an dem Tage geboren, an dem die CIA den einzigen in Iran frei gewählten Ministerpräsidenten Mossadegh gestürzt hat. Das Öl war wichtiger als das falsch intonierte Lied von Freiheit und Demokratie. Der Autor schließt sich in Iran einer linken Oppositionsgruppe an und träumt zu Beginn seiner Flucht von einem Leben in der Sowjetunion. Aber die scheitert gerade, als er an die Tür klopft.
Es bleibt nur der Weg in den freien, nichtamerikanischen Westen, nach Europa. Die Niederlande ermöglichen nach Jahren einen neuen Start, internationale Interventionen den Nachzug von Frau und Tochter. Der in Kader Abdolah schlummernde Schriftsteller verschafft ihm nicht nur Zugang zum Niederländischen, sondern auch literarische Fertigkeiten in seiner zweiten Literatursprache.
Überall begegnet er einer Krähe, die seinem Text den Titel spendiert. Er sieht sie in Isfahan, in seiner iranischen Heimat, später in Istanbul und endlich in ihrem Nest auf dem Kastanienbaum vor dem Haus Prinsengracht 263, den Anne Frank in ihrem Tagebuch besungen hat. So vereinigen sich iranische und europäische Geschichte zu einem vielleicht nur im Exil wachsenden Bewusstsein von der Welt. Für Kader Abdolah hält das Schreiben den angesichts dieser Welt notwendigen Trost bereit, der den Leser seines kleinen, von Christiane Kuby und Herbert Post übersetzten Textes dann ebenso erfasst.
Kader Abdolah: Die Krähe. Novelle. Aus dem Niederländischen von Christiane Kuby und Herbert Post. Arche Literatur Verlag. 127 S., geb., 12 €.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.