Keine Chance auf Frieden und Stabilität
Mali ist ein Beispiel dafür, dass Terror nicht mit Militärinterventionen besiegt werden kann, meint Claus-Dieter König
Bamako, die Hauptstadt Malis, ist zwar nicht wie Ouagadougou in Burkina Faso, wo auf kleinen Mopeds ebenso viele Frauen wie Männer durch die Straßen düsen, aber auch hier sieht man viele junge Frauen auf den Satteln der »Djakarta«, wie die Krafträder genannt werden. Frauen sind in Bamako selbstbewusster und bewegen sich unabhängiger als zum Beispiel in Dakar, der Hauptstadt Senegals. Nicht nur religiöse, sondern auch ethnische Toleranz sind Markenzeichen Malis. Die Manden-Charta aus dem 13. Jahrhundert - der malische König war gerade dem Islam beigetreten - ist die älteste Verfassung der Welt und enthält einen Katalog grundlegender Menschenrechte.
In Bamako wurden kürzlich 29 Menschen in einem Nobelhotel erschossen. Verantwortlich dafür ist die Al Mourabitoun, ein Teil der Al Qaida im islamischen Maghreb (AQMI) und hervorgegangen aus einer der drei djihadistischen Gruppen, die 2012 den Norden Malis unter ihre Kontrolle brachten. Al Mourabitoun ist algerischen Ursprungs und operiert inzwischen im nördlichen Teil des Landes. Ist Mali deshalb eine Brutstätte für Djihadisten? Nein. Warum aber bietet der Norden Malis der aus Algerien stammenden Kuckucksbrut ein solch komfortables Nest?
Während sich im Süden der koloniale und später unabhängige Staat faktisch etablieren konnte, gelang ihm das im Norden nie. Stattdessen schmiedeten die jeweiligen Regierungen stets Allianzen mit den Mächtigen, die meist bewaffnete Milizen hinter sich wussten und die staatlichen Mittel unter sich verteilten. Deshalb ist die Versorgung mit öffentlichen Gütern wie Strom, Wasser, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen unzureichend. Weder damit ist der Staat präsent, noch durch Gewaltorgane. Und so ist die öffentliche Ordnung entweder nicht hergestellt oder liegt in den Händen lokaler Milizen. Seit den 1990er Jahren sind einige Milizen im Drogenschmuggel und der Entführungskriminalität aktiv. Hierfür fanden sie in Gruppen wie der AQMI mächtige Partner, die sich in Algerien einer stärkeren staatlichen Verfolgung gegenübersahen.
2012 übernahmen die djihadistischen Gruppen zusammen mit separatistischen Milizen zeitweise die militärische Kontrolle in Nordmali. Die Linke in dem Land wirft Frankreich vor, die Separatisten, die Nationale Bewegung für die Befreiung des Azawad (MNLA), unterstützt zu haben, weil es in ihr einen Gegenpol zu den erstarkenden djihadistischen Gruppen sah. Diese Strategie ging mächtig schief, als sich die MNLA mit eben diesen verbündete und erstarkt durch ehemalige Legionäre der Armee von Muammar Gaddafi, die nach dessen Sturz schwer bewaffnet aus Libyen zurück nach Mali kamen, die Armee aus dem Norden verdrängte.
Beendet wurde dieser Zustand durch eine französische Militärintervention Ende 2012. Für die malische Linke löschte der Brandstifter damals das von ihm gelegte Feuer. Djihadistische Gruppen haben sich taktisch in entlegene Regionen zurückgezogen, besiegt oder verschwunden sind sie jedoch nicht. Die Intervention hat den Norden Malis weiter militarisiert und so den Einfluss bewaffneter Gruppen gestärkt. Konsequenterweise wurde der Friedensvertrag von Algier, der im Juni geschlossen wurde, mit bewaffneten Gruppen verhandelt. Zivile Organisationen blieben außen vor.
Eine Verhandlungslösung wäre schon vor dem Eingreifen möglich gewesen. Das wusste auch Frankreich. Es hätte neben den bewaffneten Gruppen umfassend zivilgesellschaftliche Kräfte einbeziehen sowie brennende wirtschaftliche und soziale Fragen anpacken können. Das hätte die Macht der Milizen geschwächt und damit nachhaltiger Sicherheit und Stabilität im Norden hergestellt.
Mali ist somit eines von vielen Beispielen, dass djihadistischer Terror nicht mit Militärinterventionen besiegt werden kann. Sondern nur durch die Nutzung der vielfältigen zivilen Handlungsoptionen.
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