Streit um Verbündete
Nach Moskauvisite bringt Frankreich Assads Truppen ins Spiel
Die politische Stimmung in Moskau war am Tag nach dem russisch-französischen Gipfel trotz der Verabredung verstärkter Luftangriffe, verbesserter Koordination und Information mit Paris gedämpft. Enttäuschung schwang bei Kremlsprecher Dmitri Peskow mit, als er am Freitag auf fehlende Bereitschaft zu einer Koalition im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) in Syrien verwies. Russland bleibe dafür aber in einem »beliebigen Format« offen.
Immer mehr Gegner der Terrororganisation fliegen in den Krieg, doch will ihn niemand am Boden führen. Ein Sieg wird auf diese Weise nicht zu erringen sein, sind sich Politiker und Militärs weithin einig. Da sah Russlands Präsident Wladimir Putin anlässlich seines Treffens mit dem französischen Amtskollegen Francois Hollande den syrischen Oberbefehlshaber Baschar al-Assad im Spiel. Diesen und seine Truppen nannte er »natürliche Verbündete« im Kampf gegen den Terror.
»Selbstverständliche Verbündete« würde die deutsche Übersetzung seiner Worte ebenfalls gestatten. Doch in beiden Varianten bleibt der Streit mit dem Westen. So versicherte Hollande nach dem Abend im Kreml, er wolle »Hand in Hand« mit Russland, keinesfalls jedoch mit dem syrischen Machthaber zusammenarbeiten: »Assad kann keine Rolle für die Zukunft des Landes spielen.«
Ein in den internationalen Medien vielfach als sensationell verbreiteter Tabubruch blieb in dieser Frage seinem Außenminister Laurent Fabius Fabius für den nächsten Tag vorbehalten. Am Freitagvormittag verneinte dieser den Einsatz französischer Bodentruppen und ergänzte in einem Nebensatz, das müssten vielmehr Kräfte der oppositionellen Freien Syrischen Armee, sunnitisch arabische Kräfte »und warum nicht auch Kräfte des Regimes« sein. Die syrische Opposition im Istanbuler Exil reagierte mit Erbitterung: »Dieser Schritt wird nur den Interessen des größten Terroristen Baschar Al-Assad dienen«, sagte Ahmed Ramadan, Führungsmitglied des Oppositionsbündnisses Nationale Syrische Koalition.
Eine Auflistung, wen Russland zur »gemäßigten Opposition« zähle, gegenüber der sich seine Luftwaffe künftig »Angriffen enthalten« werde, hat Wladimir Putin bislang vermieden. Dennoch wurde gerade diese Absprache von Beobachtern als ein Erfolg seines französischen Staatsgastes gewürdigt.
Ansonsten blieb das Treffen überschattet von höchst feindseligen russisch-türkischen Beziehungen nach dem laut Moskau »verräterischen« und »verbrecherischen« Abschuss des russischen Bombers Su-24 im syrisch-türkischen Grenzgebiet. »Der Abschuss eines nicht identifizierten Jets im türkischen Luftraum war und ist kein gegen ein bestimmtes Land gerichteter Akt«, versicherte der türkische Premier Ahmet Davutoglu am Freitag harmlos in der britischen »Times«.
Eine Begegnung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan mit Putin ist von Ankara gewünscht, doch der Kreml will nicht und setzt die Visafreiheit ab 1. Januar aus. Ankara sendet widersprüchliche Signale. Erdogan beteuert: »Wir wollen keine Spannungen mit Russland.« Zugleich beschuldigte er den Nachbarn, nicht den islamistischen Terrorstaat, sondern die gemäßigte syrische Opposition anzugreifen.
In Moskauer Supermärkten werden derweil türkische Tomaten und andere Produkte gegen marokkanisches, aserbaidschanisches und Obst und Gemüse aus dem Süden Russlands ausgetauscht. An einer langen Liste weiterer Sanktionen schreibt das Kabinett.
Demonstrativer Dank der Moskauer Führung galt hingegen Damaskus für die Rettung des russischen Piloten. Außenminister Sergej Lawrow versicherte: »Wir werden Syrien auch weiterhin jede notwendige Hilfe im Kampf gegen die Terroristen erweisen.« Mit Agenturen
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