Tragisch verzwickt
Julia Wolf: Alles ist jetzt
Am Anfang hat Ingrid einen Traum. Sie liegt frierend in einem Maisfeld, als ihre Mutter kommt. »Ihr Mund ein kleines Tier auf meinen Wangen, feuchte Küsse, ein Flüstern: Da bist du ja, da bist du ja.« Aber es ist nicht ihre Mutter, die da kommt, als sie erwacht, sondern Jenny, ihre Freundin, die Feierabend hat. Ingrid will nicht aufstehen, will sich nicht anhören, wie Jenny über das Chaos in der Wohnung stöhnt. Die Katze hat in die Küche gekackt, weil sie das Katzenklo nicht gesäubert hat. Oder ihr Gejammere über Ingrids Bruder Gordan, der bei den beiden wohnt und, aus Jennys Sicht, ihre Liebe stört. Jenny, die Ingrid liebt und Ingrid, die Jenny nicht liebt. Ingrid, die ihren Bruder liebt, der alles darf, dem sie alles nachsieht. Eine unmögliche Liebe zum Bruder, so unmöglich wie der Ort, an dem Ingrid ihr Geld verdient, einem Live-Sex-Club. An der Bar bedient sie die Crème de la Crème der Männlichkeit, oder Oberstufenschüler, die gern...
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