In Ludendorffs Logik
Hybride Kriegsführung - neu oder nur neu aufgelegt?
Alles ist mit allem verbunden: Ökonomie, Ideologie, Diplomatie, Militär, Geheimdienste, Kultur, Bildung, Medien, Kommunikation - und alles steht im Dienst der jeweiligen »Sache«. Neu ist das nicht. Und wer diese Strategie nur zurückverfolgt bis zu Nazi-Chefpropagandist Joseph Goebbels und seiner Suggestivfrage nach dem »totalen Krieg«, verkürzt die Geschichte dessen, was man aktuell bei der NATO hybride Kriegsführung nennt. Schon Jahrhunderte zuvor hat man nicht nur in Deutschland darüber nachgedacht, wie eine Gesellschaft allumfassend in die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln einbezogen werden kann. Eine Wegmarke setzte Erich Ludendorff. Der Erste-Weltkrieg-General und völkische Wegbereiter der Nationalsozialisten schrieb 1935 ein Pamphlet über den »Totalen Krieg«.
Neu sind die Möglichkeiten, die sich bieten für einen Krieg unterhalb des herkömmlichen Krieges. Was diese Möglichkeiten und ihr Entwicklungspotenzial betrifft, sind sich Politiker und Militärs in Washington, Moskau, Paris, Berlin sowie im syrischen Raqqa einig. Sie setzen auf eine Kombination von konventionellen und irregulären Kampfweisen. Das Handeln ist verbunden mit terroristischen Aktionen und kriminellem Verhalten. Der Cyberraum, in dem Angreifer kaum erwischt werden können, kommt als fünfte Dimension hinzu. Unberechenbarkeit wird zur Universalwaffe. So fühlte sich die NATO aufgeschreckt von Putins »grünen Männchen«, also von Elitesoldaten ohne Hoheitsabzeichen, die erst auf der Krim und dann in der Ostukraine »Urlaub« machten. Ist das Krieg? Bei der Beurteilung dieser Frage Unschärfe zu erreichen, ist ein Kern der sogenannten hybriden Kriegsführung.
In der NATO gilt für alle Mitgliedsstaaten eine Beistandsgarantie. Was, wenn »grüne Männchen« in baltischen Staaten auftauchen, wenn das Internet zusammenbricht, wenn Separatisten Volksabstimmungen initiieren, wenn Nachrichtenprogramme jenseits der NATO-Grenzen Desinformation betreiben? Ist das noch Frieden oder schon Krieg? Oder Krieg im Frieden? Nur wesentlich effektiver als alles, was man aus dem Kalten Krieg kennt. Jedenfalls ist es irgendetwas im Graubereich. Doch der NATO-Vertrag kennt nur Schwarz oder Weiß - und genau das wird ein möglicher Angreifer ausnutzen.
Was also tun? Bei der NATO setzt man auf »comprehensive approach«, auf einen breiten Ansatz, also die Einbeziehung aller nur denkbaren Möglichkeiten, die technisch hochgerüstete Gesellschaften bieten. Das Praktische an dieser Art »Nicht-Krieg-Krieg«? Man kann ihn etwas zurücknehmen, wenn man wie in Syrien objektiv fast in einer Front in einem echten Krieges steht.
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