Zerrissen in die NATO
Adriastaat Montenegro soll 29. Mitglied werden / Moskau verärgert
Montenegros Außenminister Igor Luksic ließ seiner Erleichterung über die historische Entscheidung freien Lauf. »Heute eröffnen wir ein neues Kapitel«, kommentierte der Chefdiplomat am Mittwoch im fernen Brüssel freudig und stolz die Einladung der NATO-Außenminister an den Adriastaat, als 29. Mitglied dem Militärpakt beizutreten: »Wir haben die Einladung verdient. Dies ist eine ausgezeichnete Nachricht für die Stärkung der Sicherheit und Stabilität der gesamten Region.«
Alle gemeinsamen Projekte Moskaus mit Montenegro würden gestoppt, falls das Land tatsächlich der NATO beitrete, warnte am Mittwoch verärgert Wiktor Oserow, Chef des Verteidigungsausschusses im Russischen Föderationsrat. Vom Beginn einer »wunderschönen Allianz« sprach hingegen aufgeräumt NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Tatsächlich wird sich mit dem Beitritt der früheren jugoslawischen Teilrepublik die letzte NATO-Lücke am Mittelmeer schließen: Vom Bosporus bis Gibraltar könnte der NATO-Schirm bald dessen gesamte Nordküste erreichen.
Bis der EU-Anwärter der NATO beitreten wird, dürfte noch mehr als ein Jahr vergehen. Doch schon seit Monaten wirft der erwartete Beitritt über das Land der Schwarzen Berge Schatten. Russen machen ein Drittel aller Touristen im Küstenstaat aus - und sind die wichtigsten Käufer auf dessen schwächelndem Immobilienmarkt. Doch nicht nur wegen des dunklen Sanktionsgrollens Moskaus bleibt der von Premier Milo Djukanovic forcierte NATO-Beitritt in dem zerrissenen Land umstritten.
Knapp 17 Jahre nach dem NATO-Bombardement halten sich Umfragen zufolge Befürworter und Gegner eines Beitritts die Waage. Vor allem die Angehörigen der starken serbischen Minderheit, die schon die Lösung aus dem Staatenbund mit Serbien vor neun Jahren bekämpften, laufen gegen eine Mitgliedschaft Sturm. Die heftigen Proteste der letzten Wochen gegen die als korrupt beklagte Vetternwirtschaft des Djukanovic-Clans waren auch von schweren Vorbehalten gegen die NATO gespeist.
Allerdings ist selbst die nur durch die Gegnerschaft zu Djukanovic geeinte Opposition in der Frage des NATO-Beitritts gespalten. Eher westorientierte Oppositionsführer wie Nebojsa Medojevic von der liberalen PZP stimmen der Mitgliedschaft grundsätzlich zu, halten die Bedingungen für eine Aufnahme wegen der rechtsstaatlichen Defizite im »Mafia-Staat« Montenegro aber für nicht erfüllt. Als »direkte Aggression« gegen den Frieden und die Sicherheit der Bürger wertet wiederum Srdjan Milic von der serbisch orientierten SNP die Einladung: Die Entscheidung über den Beitritt dürfe »nicht den Willen der Mehrheit der Bürger umgehen«, begründete er am Mittwoch seine erneute Forderung nach einem »fairen und demokratischen Referendum«.
Noch genießt Montenegro den eher anrüchigen Ruf eines Eldorados zweifelhafter Geschäftsleute, Geldwäscher und Drogenbarone. Mit dem NATO-Beitritt will »Rasiermesser« Djukanovic seinem Land den Weg in die EU ebnen - und seine in der Dauerkrise etwas abgebröckelte Macht sichern.
Nicht nur dank fragwürdiger und von Manipulationsvorwürfen überschatteten Urnengängen und des aufgeblähten Heers von treu ergebenen Staatsdienern, sondern auch wegen seiner engen Kontakte zu den USA hält sich das Politfossil schon seit einem Vierteljahrhundert im Sattel. Denn ob die westliche Entrüstung über die Knebelung der Medien oder der Vorwurf des staatlich organisierten Zigarettenschmuggels während der 90er Jahre: Als vermeintlicher Garant der Stabilität scheint Montenegros schillernder Strippenzieher in Brüssel und Washington noch stets ein gefragter Partner zu sein.
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