Tragödie à la Shakespeare
Ex-Sportler Oscar Pistorius muss wieder ins Gefängnis
Bloemfontein. Weihnachten kann Oscar Pistorius noch im Kreise seiner Familie verbringen. Doch nächstes Jahr wird es mit dem Hausarrest in der Villa seines Onkels in Pretoria vorbei sein. Stattdessen wartet wieder das Gefängnis. Ein Richter des südafrikanischen Berufungsgerichts beschrieb den tiefen Fall des Oscar Pistorius am Donnerstag als eine Tragödie, die so auch aus der Feder von William Shakespeare stammen könnte.
Für die fünf Richter in Bloemfontein ist der Fall klar: Der geübte Schütze Pistorius, der am Donnerstag nicht im Gericht war, nahm den Tod eines Menschen billigend in Kauf, als er am Valentinstag 2013 vier großkalibrige Schüsse durch die geschlossene Tür einer Toilette feuerte. Und damit seine damalige Freundin Reeva Steenkamp tötete.
Der Krimi um den wohl berühmtesten Behindertensportler löste weltweit großes Aufsehen aus. In Südafrika empfanden viele Menschen das Urteil der ersten Instanz zu fünf Jahren Haft wegen fahrlässiger Tötung als zu milde. Die Frauenliga der Regierungspartei ANC kritisierte das milde Urteils der ersten Instanz scharf.
Pistorius wurde schon im Oktober - nach nur einem Jahr Haft - in den Hausarrest entlassen. Die Richterin der ersten Instanz, Thokozile Maspia, hatte seinen Beteuerungen Glauben geschenkt, wonach er hinter der Tür einen Einbrecher wähnte. Er habe keine Tötungsabsicht gehabt, beteuerte Pistorius vor Gericht.
Das oberste Berufungsgericht in Bloemfontein jedoch spricht jetzt von »grundsätzlichen Irrtümern« im Urteil der ersten Instanz. Die fünf Richter befanden Pistorius am Donnerstag des »Mordes« schuldig, was im deutschen Rechtssystem am ehesten einer Verurteilung wegen Totschlags entspricht. »Er muss die mögliche Todesfolge seines Handelns vorausgesehen haben«, sagte Richter Leach. Das Urteil vom Oktober 2014 ist damit hinfällig. Das Gericht der ersten Instanz wird 2016 das neue Strafmaß festlegen. Auf weniger als 15 Jahre Haft kann der 29-Jährige nur dann hoffen, wenn das Gericht besonders mildernde Umstände erkennt.
Pistorius startete 2012 mit seinen Karbonprothesen als erster beinamputierter Sportler bei den Olympischen Spielen. Er wurde Achter mit der Staffel über 4 x 400 Meter und kam als Einzelstarter bis ins 400-Meter-Halbfinale. Bei den Paralympics holte er Doppelgold.
Ein Knackpunkt der Gerichtsverhandlung in erster und zweiter Instanz war, ob Pistorius die Todesfolge seiner Handlung voraussehen konnte, ein Fall von sogenanntem »dolus eventialis«. Die Berufungsinstanz sah dies nun als erwiesen an. Im ersten Verfahren seien wichtige Beweise nicht ausreichend berücksichtigt worden, darunter auch ein ballistisches Gutachten, wonach keine Person in der Toilette die vier Schüsse hätte überleben könnnen. dpa/nd
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