Sargnagel für das Völkerrecht

Bundestag beschließt Syrienkrieg / Röttgen (CDU): »rechtliches Neuland«

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Volksvertretung hat Kriegshandlungen im Syrienkonflikt mit 445 gegen 145 Stimmen im Eilverfahren zugestimmt.

Die Debatte über die Kriegsbeteiligung spiegelte das Chaos des Konflikts wider: Nicht einmal das Nein der Opposition lag auf einer Linie. Als Sahra Wagenknecht die Ablehnung der LINKEN begründete, unterstellte ihr der Grünen-Abgeordnete Dieter Janecek in einer Zwischenfrage, Opfer der Bombenangriffe im vom »IS« besetzten Gebiet zu bedauern, nicht aber Opfer russischer Angriffe auf als prowestlich geltende Gruppen. Grünen-Frontmann Anton Hofreiter nannte es eine »Frechheit«, den »Versuch des Kampfes gegen den IS« mit »dem Einsatz Russlands aufseiten Assads« gleichzusetzen.

Wagenknecht wies das zurück. Die Linksfraktionschefin sagte, Bomben würden den IS nur »stärken« - und Anschläge in Deutschland wahrscheinlicher machen. Die Attentäter von Paris seien in Frankreich und Belgien aufgewachsen. »Solidarität« heiße, Paris nicht »über Brüssel« eine Austeritätspolitik aufzuzwingen, die die Desintegration in »verwilderten Vorstädten« noch zuspitze. Syriens Präsident sei ein »Diktator, der sein Land brutal unterdrückt«. Doch habe der Westen »das Monster« IS »erschaffen«. Nun müssten die »Terrorpaten« in Ankara und Riad unter Druck gesetzt werden. Ein Antrag der LINKEN, Waffenlieferungen an Saudi-Arabien, Katar und die Türkei zu unterbinden, wurde abgelehnt - auch von den Grünen.

Es sei nötig, »mit der Türkei« zu »reden« und die Integration der irakischen Sunniten zu stärken, um dem IS Boden zu entziehen, sagte auch Norbert Röttgen (CSU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses: »Wir wissen, was zu tun ist.« Man dürfe die Region nicht »Assad, Putin und dem IS« überlassen. Röttgen rief dazu auf, sich in IS-Opfer zu versetzen. Er nannte den Einsatz zunächst verfassungs- wie völkerrechtlich »legitim und legal«, sprach dann aber davon, man müsse »rechtlich (...) vielleicht Neuland betreten«.

Die mehrheitliche Haltung der Grünen, die - mit den Ausnahmen der Enthaltung etwa des Parteichefs Cem Özdemir und Marieluise Becks - gegen den Kriegseintritt gestimmt hatten, begründete Fraktionschef Hofreiter: Er sprach von »Aktionismus«, es gebe weder militärisch noch politisch eine nachvollziehbare Strategie. »Wer hat den genauen Oberbefehl? Wie gehen Sie mit Russland um? Wie gehen Sie mit Assad um?« Das Mandat sei »entgrenzt«, weil das Operationsgebiet nicht klar definiert sei.

»Hat man nicht vielleicht viel zu lange gewartet und alles ist zu spät?«, hielt der SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold Kritik an dem Schnellverfahren entgegen. »Es ist kein Abenteuer, in das wir unsere Soldaten schicken«, meinte er - räumte aber ein, dass Deutschland kaum vollen Einblick in die militärisch-strategische Konzeption der sich formierenden Militärallianz haben werde. Sondern nur so weit, wie der konkrete Einsatz eigener Kräfte betroffen sei.

In der CDU verweigerten die brandenburgischen Abgeordneten Martin Patzelt und Hans-Georg von der Marwitz ihre Zustimmung. Die SPD-Politikerin Hilde Mattheis begründete ihr Nein in einer »persönlichen Erklärung« mit dem Fehlen eines UN-Mandats und klarer Zielbestimmungen.

Nach 90 Minuten war der Krieg mit 445 gegen 145 Stimmen bei sieben Enthaltungen beschlossen.

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