In der Karma-Ersatzkasse

»Immigrantenstadl« - eine Show mit »drei lustigen Einwanderern« im Comedyclub »Kookaburra«

  • Katrin Schielke
  • Lesedauer: 4 Min.

»Euch zu unterhalten, gibt Punkte auf unserem Karma-Konto«, ruft der Inder Sanjay Shihora seinem Publikum zu. Das ist altersgemischt und bester Laune, Stichwort: Weihnachtsfeier. In diesen dunklen Zeiten lachen und sich über schräge Witze freuen - darf man das? Im Comedyclub »Kookaburra« in der Schönhauser Allee wollten das an diesem Abend jedenfalls sehr viele.

Vor 13 Jahren gründete Shihora mit seiner Frau und Bühnenpartnerin Svenja das »Kookaburra« - ein Vogel, der sein Revier vor allem mit lautem Gelächter verteidigt. Kennengelernt haben die beiden sich in Paris, in der Schule des Mimen Marcel Marceau, der Shihora in Indien entdeckt hatte. Mittlerweile ist das »Kookaburra« einer der renommiertesten Orte für Comedy in Berlin.

Im »Immigrantenstadl« - einer Comedy-Mix-Show mit »drei lustigen Einwanderern« werfen Shihora und internationale Gäste jeden ersten Mittwoch des Monats einen interkulturell vielfältigen Blick auf das Einwanderungsland Deutschland. An diesem Abend wird dieses Versprechen zwar nur teilweise eingelöst, denn Shihora ist neben der Engländerin »Diamond« der einzige Eingewanderte, aber lustig wird der Abend dann trotzdem.

Den kleinen Lampion in Turban-Form setzt sich Shihora nur kurz auf, aber sein rasantes Redetempo, seine fröhlichen kleinen Hüpfer durch die deutsche Sprache und vielleicht auch ein besonderes Interesse an Philosophie weisen ihn dann sowieso als Inder aus. Ein Mann, der die Bühne bollywoodmäßig beherrscht. Er rattert sich durch Tagesaktualität - Klimawandel, Konsumterror und Proteste gegen Flüchtlinge - und wenn jemand aus dem Publikum nicht genug mitlacht, droht er mit einem »Kamasutra-Workshop« auf der Bühne. Eindeutiger Vorteil seiner Herkunft: »Dinge, die mir widerstreben, verschiebe ich aufs nächste Leben.«

Shihora ist auch Schauspieler, hat vor kurzem in einem deutschen Krimi mitgespielt und fasst dann mal kurz zusammen: In deutschen Krimis geht es immer nur um Alkoholsucht und Beziehungsprobleme des Kommissars, bei den Amerikanern wird jeder Verdächtige erschossen, in indischen Krimis viel getanzt - »geile Stimmung« - und in Frankreich überhaupt kein Fall gelöst, weil die Kommissare immer so viel quatschen. Auch unser Gastgeber kann nicht nur quatschen, als hätte er »Inderwahnsinn« - so heißt eins seiner Programme -, sondern hat auch ein gutes Händchen bei der Wahl der eingeladenen Künstler.

Dennis Schleussner ist Jo-Jo-Artist und beherrscht das Geschicklichkeitsspiel des Würfel- und Becherstapelns. Er verstrickt und entwirrt seine Jo-Jos in fabelhaftem Tempo und mit fröhlichem Körpereinsatz, wirbelt in durchgängig großer Spielfreude die Würfel hin und her und stapelt Plastikbecher zu Pyramiden. Er ist Weltmeister in dieser Disziplin und beherrscht sie in einem Maße, dass man die Frage, ob die Welt so etwas braucht, schnell vergisst.

Sodann erscheint der »Tod« in schwarzer Kutte, die Kapuze tief übers Gesicht gezogen. Mit piepsiger Stimme heißt er uns willkommen. Er sei auf Imagekampagne. Tod sein sei nicht so einfach, er fühle sich oft einsam, obwohl er jetzt sogar eine Praktikantin habe, die »Exitussi«. Beim Anti-Angst-Training lässt er das Publikum ein Bund Radieschen von unten beschauen. Und dann sagt er, man könne doch jetzt endlich mal den Berliner Flughafen aufmachen - genüssliches Schmatzen -, der Brandschutz werde wirklich überbewertet in unserem Land. Zum Schluss weist er auf seine neuen Shows hin. Jedem, der keinen Flyer mitnehme, werde er persönlich einen vorbeibringen. Beunruhigend lustig.

Zur Entspannung dann eine Zaubershow. Timothy Trust und seine Assistentin Diamond können nicht nur tanzen, Gedanken lesen, Kartentricks mit unsichtbaren Karten, und sich selbst dabei überhaupt nicht ernst nehmen, sie können auch »Großillusionen«: Wie Diamond es schafft, auf der Bühne im Sekundentempo die Kleider zu wechseln, beschäftigt die Autorin dieser Zeilen immer noch.

Von Mindestlöhnen, sagt Shihora dann zum Abschluss, seien alle Künstler des Abends weit entfernt, aber wenigstens habe er jetzt in Indien eine Reinkarnationsversicherung abgeschlossen - bei der Karma Ersatzkasse. Könne er allen nur empfehlen.

Nicht viel Neues über das Einwanderungsland Deutschlandland also, ein paar Gedanken aber, denen man nachhängen kann, großartige Künstler und ein Rhythmus, der stimmt. Shihoras Herz schlägt für Comedy und das gibt mindestens hundert Karma-Punkte.

Kookaburra, Schönhauser Allee 184, Prenzl. Berg, Tel.: (030) 48 62 31 86, www.comedyclub.de

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