Wilde Ehe mit Potsdam
Gemeinde Nuthetal gibt ihr eigenes Standesamt auf
Der Bahnhof heißt Potsdam-Rehbrücke. Um von der Landeshauptstadt in die Gemeinde Nuthetal zu gelangen, zu der Bergholz-Rehbrücke gehört, benötigt ein Fußgänger den Bruchteil einer Sekunde, der notwendig ist, um einen Schritt zu machen. Dass Rehbrücke nicht zu Potsdam gehört, wissen viele Bahnkunden wahrscheinlich gar nicht, und die es wissen, die verstehen es nicht.
Nuthetal ist selbstständig und will es bleiben. Ob das gelingt, ist möglicherweise davon abhängig, wer sich in der rot-roten Koalition durchsetzt. Die SPD peilt im Rahmen der geplanten Verwaltungsstrukturreform an, dass Gemeinden wenigstens 10 000 Einwohner haben sollten. Die LINKE sprach sich gerade dafür aus, die Untergrenze auf 8000 herabzusetzen. Nuthetal liegt mit rund 8800 Einwohnern ungefähr in der Mitte, hat eine kleine Bevölkerungsexplosion hinter sich, kann jedoch nicht mehr weiter wachsen, weil die für den Wohnungsbau noch zulässigen Flächen begrenzt sind.
Noch ist das Thema nicht akut. Bis 2019 will Rot-Rot nach derzeitigem Stand zunächst eine Kreisgebietsreform bewerkstelligen und dabei die kreisfreien Städte Cottbus, Brandenburg/Havel und Frankfurt (Oder) mit den umliegenden Landkreisen notfalls zwangsfusionieren. Zusammenschlüsse von Gemeinden zu größeren Einheiten sollen dagegen erst einmal nur auf freiwilliger Basis erfolgen. Allerdings hat Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) bereits durchblicken lassen, freiwillige Zusammenschlüsse werde es in nennenswertem Maße nur geben, wenn in absehbarer Zeit Zwangsfusionen drohen. Denn dann nehmen Gemeinden lieber noch schnell die Zuschüsse, mit denen freiwilliges Handeln versüßt wird.
Nuthetals Bürgermeisterin Ute Hustig (LINKE) hält nichts von einer Eingemeindung durch die Stadt Potsdam. Sie setzt stattdessen auf Kooperation. Auch die Oberbürgermeister der kreisfreien Städte zeigen sich gern aufgeschlossen für die Kooperation mit umliegenden Landkreisen, wenn sich dadurch die Möglichkeit eröffnet, der vorgesehenen Einkreisung zu entgehen.
Bürgermeisterin Hustig redet aber nicht nur. Sie handelt. Jetzt sind die Standesämter von Potsdam und Nuthetal zusammengeführt worden. Am Freitag unterschrieben Ute Hustig und Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) eine entsprechende Vereinbarung. Bereits seit Oktober 2014 gab es einen Notfall-Vertretungsvertrag zwischen beiden Seiten, der bis Jahresende 2015 befristet war. Er regelte eine Amtshilfe aus Potsdam für den Fall, dass die eine und einzige Nuthetaler Standesbeamtin erkrankt oder im Urlaub ist.
Nun ging Ute Hustig einen Schritt weiter. Künftig werden Geburts- und Sterbeurkunden für Nuthetaler Bürger generell in Potsdam ausgestellt. Was die Geburtsurkunden betrifft, ist dies keine große Neuerung, da die Nuthetaler Mütter ihre Babys in der Regel ohnehin in Potsdamer Kliniken zur Welt bringen, wie Hustig erläutert. Auch bei Todesfällen drohe den Angehörigen kein längerer Weg zur Behörde, denn meist kümmern sich die Bestattungsunternehmen gleich auch noch darum.
Die Geburts-, Ehe- und Sterberegister werden nach Potsdam überführt. Ehen und Lebenspartnerschaften können aber weiterhin an der Arthur-Scheunert-Allee in Bergholz-Rehbrücke geschlossen werden. Das dortige Trauzimmer bleibt. Bei 60 Hochzeiten, die hier im Jahr stattfinden, haben sich 2014 ohnehin nur 15 Mal Nuthetaler das Jawort gegeben. Die anderen waren Auswärtigen, die hier heiraten wollten.
»Das ist ein gutes Beispiel für die interkommunale Zusammenarbeit«, würdigte Oberbürgermeister Jakobs die neue Vereinbarung. »Wo es Sinn macht, arbeiten wir eng mit unseren Nachbarn zusammen«, sagte er.
Hustig freute sich, dass ihr Plan aufging. »Neben allen notwendigen Inhalten war es mir in den Verhandlungen besonders wichtig«, erklärte sie, »dass in den Räumlichkeiten des bisherigen Standesamtes der Gemeinde Nuthetal auch weiterhin Eheschließungen stattfinden können.«
Eine zweite Standesbeamtin wäre für Nuthetal nicht drin und nicht sinnvoll gewesen. Die Gemeindeverwaltung zählt insgesamt nur 28 Mitarbeiter. Das ist das Problem der kleinen Gemeinden. Ihnen fehlt oft der Spielraum, jedes Spezialgebiet mit Fachkräften zu besetzen.
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